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Das Mädchen aus der Pearl Street

Das Mädchen aus der Pearl Street

Titel: Das Mädchen aus der Pearl Street
Autoren: Dorothy Gilman Butters
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„Dämonen“. Das war unheimlich und gefährlich. Besorgt streifte ihr Blick Thomas von der Seite. Was würde er wohl tun? Sein Gesicht war völlig ausdruckslos. Im Vor übergehen nickte er seinen alten Kumpanen grüßend zu, aber er sprach kein Wort. Das erstaunte die Bande so, daß sie mit hängenden Armen und offenen Mäu-lern dastanden und bloß noch gaffen konnten. Sie gafften noch immer, als die Familie Boscz die Stufen zur Tür des Gemeindehauses hinaufstieg.
    Die Dämonen haßten und verachteten das Gemeindehaus. Thomas Boscz hatte die Clique deshalb verlassen, und diese Tatsache — ob sie es zugaben oder nicht — hatte einen Riß durch die Mauer ihres Hasses gezogen. Ob es Cy wohl gelingen würde, diesen Riß zu vertiefen und zu weiten? überlegte Kitty hoffnungsvoll.
    Das Gemeindehaus erstrahlte in festlicher Beleuchtung. Bunte Lampions baumelten an Drähten quer über dem Spielplatz, und zwischen den Schaukeln und dem Brunnen prangte ein einladender Erfrischungsstand. Ein Polizist stand wie von ungefähr daneben, aber man wußte genau, daß er notwendig war, wenn man in der Pause noch belegte Brote und Limonade vorzufinden wünschte. Die Boscz’ nahmen ihre Programme und ließen sich von dem Gedränge in den Zuschauerraum schieben.
    Als Kitty auf ihrem Platz saß und in ihrem Programm zu blättern begann, brauchte sie nicht erst nach Piccolos Namen zu suchen; er sprang ihr auf jeder Seite sofort in die Augen. John Boswell, Leiter des Drama-Clubs. John Boswell, Regisseur des „Peter Pan“. John Boswell, Darsteller des Kapitän Hook. Sie zwang sich, auf den gedruckten Namen Piccolos zu starren, um sich daran zu gewöhnen, daß diese Buchstaben irgendwo auf Programmen oder in Zeitungen und Illustrierten fortan die einzige Verbindung zu ihm sein würden. Im Fairfielder Tagblatt sollte sie dann und wann lesen: „Mr. John Boswell besucht dieser Tage seine Eltern, Pastor Carl Boswell und Frau.“ Oder: „Mr. John Boswell hatte großen Erfolg bei einer Aufführung der Schauspielschule.“, „Mr. John Boswell---“,---ach, bloß nicht mehr weiterdenken müssen! Warum tat sie sich selbst immer noch mehr weh? Vielleicht war sie nur übermüdet. Schlafen sollte man können, sich irgendwo in eine dunkle Ecke verkriechen und die Augen zumachen, nichts mehr sehen, nichts mehr hören und vor allem nichts mehr denken.
    „Eine beachtliche Zuschauermenge!“ Mutter Boscz strahlte vor Stolz.
    Dann ging der Vorhang auf, und in wenigen Minuten hatte der Zauber Peter Pans jeden der Besucher berührt und mit in seinen Bann gerissen. Das Stück wurde fast ausschließlich von Kindern gespielt, aber irgend jemand mußte meisterhaft verstanden haben, die kleinen Darsteller zu begeistern und außerdem in die Stimmung der Handlung einzuordnen, sie einander anzupassen und mit Lichtern und Kostümen eine geradezu hervorragende Wirkung zu erzielen. Keines der Kinder schien Lampenfieber zu haben, keines versäumte sein Stichwort oder blieb stecken. Man vergaß, daß dies eine Amateuraufführung war, so überzeugend erlebte Peter Pan seine Abenteuer und hielt in seiner spritzigen, anregenden Lebendigkeit selbst den ältesten und abgeklärtesten und nüchternsten Gast in Atem. Und jeder einzelne dieser kleinen Künstler auf der Bühne stammte aus der Pearl Street!
    Als der Vorhang gefallen und der Applaus verebbt war, kam Cy herbei.
    „Nun?“ fragte er und schaute dabei besonders Thomas an.
    „Ziemlich beachtlich!“ grinste Thomas anerkennend zurück.
    „Ziemlich beachtlich? Sie kriegen Ihre Baseballmannschaft so gut hin wie der Boswell seine Musensöhne, und ich spendiere Ihnen einen Schlemmerbecher für einen ganzen, runden Dollar! — Danny hat sich prächtig als Indianer gemacht, nicht wahr? Übrigens, ich habe für heute abend ein kleines Fest in meiner Wohnung geplant. Möchten Sie, Thomas, mit Kitty einer meiner Gäste sein?“
    „Sicher, gern“, sagte Thomas zu.
    „Clovis kommt auch“, fügte Cy mit einem Blick auf Kitty hinzu.
    Und Piccolo natürlich auch, dachte sie. Wie herrlich wäre es! Und wie schrecklich, wenn sie dann nach dem Abend ohne ihn würde fortgehen müssen! Es wurde ihr einfach zuviel! Sie mühte sich, irgendwie ein Leben ohne Piccolo für sich aufzubauen, und wenn es gerade schien, als würde es ihr gelingen, dann ließ ein einziger Blick von Piccolo ihren ganzen Bau wieder hilflos Zusammenstürzen, und sie mußte von vorn anfangen, noch irgendeinen Sinn und einen Rest Mut aus den Trümmern
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