Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)
Autoren: Kira Gembri
Vom Netzwerk:
der hohen Tür, bis der Leibdiener sie an der Schulter packte und schüttelte: „Steh nicht herum, nimm gefälligst dieses schreckliche Leiden von ihm!“
    Reeva sah ihn abwartend an, doch der Mann machte keinerlei Anstalten, den Raum zu verlassen; selbst als sie auf das Bett zuschritt, wich er ihr nicht von der Seite. Langsam öffnete Reeva das Gewand des Königs und legte ein Ohr auf seine Brust. Auch dabei ließ der Diener sie nicht aus den Augen.
    Er sollte weggehen. Er musste fort! Ruckartig wandte sie sich zu ihm um und bemühte sich um einen befehlenden Ton in der Stimme: „Damit ich ihm helfen kann, benötige ich einige Dinge. Ich hoffe, du kannst sie mir beschaffen, während ich Seine Majestät weiter untersuche.“
    „Was sollen es denn für Dinge sein?“, fragte der Diener mit unwillig gerunzelten Brauen.
    „Nur etwas Wein, saubere Tücher, erhitzte Steine und mehrere Eimer kochendes Wasser“, zählte Reeva ohne nachzudenken auf und blickte dem Mann hinterher, während er widerstrebend aus dem Gemach schritt. Die Tür ließ er offen stehen. Einige Augenblicke wartete Reeva, dann schloss sie diese mit der größten Selbstverständlichkeit, die ihr möglich war. Höflich nickte sie dabei dem Wächter zu.
    Anschließend ging sie zum Bett zurück und beugte sich wieder zum König hinab. Er war jünger, als sie erwartet hatte; in seinem lichtbraunen Schopf zeigte sich noch kein einziges graues Haar. Dafür konnte sie feine Linien entdecken, die sich an jenen Stellen um Mund und Augen in die Haut gegraben hatten, an denen einmal Falten sein würden.
    Ihre Finger nestelten ungeschickt an der Schnur, die den Leinenbeutel verschloss, zerrten schließlich hektisch an dem Knoten, bis der Stoff mit einem scharfen Geräusch zerriss. Ein winziges Gefäß fiel in Reevas Hand; behutsam öffnete sie es und flößte dem Gepeinigten das Antiserum ein – sowie ein langsam wirkendes Schlafmittel.
    Obwohl zumindest die schlimmsten Krämpfe rasch aufhören mussten, öffnete der König seine Augen nicht. Reeva wartete eine Weile, in der die Stille schwer auf ihr lastete; danach legte sie ihre Hand auf die schweißbedeckte Wange des Mannes, bebend vor Ungeduld. Sie hatte nicht viel Zeit – selbst wenn der Diener erst Wein und Tücher besorgen und darauf warten musste, bis Steine und Wasser erhitzt waren, würde er bald zurückkehren.
    Endlich wachte der König auf. Er machte eine schwache Geste, als wollte er Reevas Gesicht berühren; dann ließ er den Arm wieder schwer aufs Bett fallen.
    „Wer bist du, Junge?“ Die gemurmelten Worte waren eher zu erahnen als zu verstehen, doch Reeva begriff. Sie versuchte, dem Zittern in ihrer Stimme Herr zu werden, ehe sie erwiderte:
    „Ich bin ein Mädchen, auch wenn meine Kleidung und meine Haartracht täuschen mögen.“
    Der König fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. „Ich habe schrecklichen Durst.“
    Reeva nahm einen Kelch und gab dem Erschöpften Wasser zu trinken. Während er schluckte, sprach sie hastig, aber so deutlich wie möglich: „Majestät, ich bin eine Heilerin aus Eurem Nachbarland, und ich bitte Euch, mich anzuhören.“
    Der König ließ den Kopf in seine Kissen zurücksinken und schloss halb die Lider, doch Reeva wusste, dass er lauschte. Etwas bestärkt sprach sie weiter:
    Sie berichtete ihm von ihrer Vision und schilderte – was ihr dem Prinzen gegenüber noch nicht möglich gewesen war – genau die feindliche Armee, ihre Waffen, die Farben der Flaggen und die Landschaft mit den gezackten Berggipfeln im Hintergrund. All das würde ihre Geschichte glaubhaft machen, jede Einzelheit würde es ein wenig erschweren, sie als dummes Märchen abzutun. Als Jacob ihr seinen Plan unterbreitet hatte, war sie voller Zweifel gewesen, ob der König sie überhaupt würde sprechen lassen; doch das tat er – wirklich – sie würde ihn überzeugen können. Alles würde gut werden.
    Als sie geendet hatte und schwer atmend auf den Mann herabblickte, regte sich kein einziger Muskel in seinem Gesicht. In der Stille konnte sie das Holz des Bettes knarren hören, als sie sich in ihrem Unbehagen darauf abstützte. Waren von draußen schon Schritte zu vernehmen, kehrte der Diener zurück? Nein – noch nicht. Aber der König war so still; einen bangen Moment lang glaubte Reeva, er könnte eingeschlafen sein. Plötzlich blickten sie seine braunen Augen jedoch hellwach an, und er öffnete den Mund, um zu sprechen.
    „Ich habe dir zugehört und mich während deiner
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher