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Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)
Autoren: Kira Gembri
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Backenstreich an diesem Tag aus ihren Gedanken.
    „Vor dich hinträumen kannst du auch, wenn du mit der Arbeit fertig bist. Das Geschirr reinigt sich nicht von alleine!“, herrschte der Küchenmeister sie an; genau wie die anderen war er bereits müde und gereizt von der Plackerei des Tages. Reeva spürte den Schlag kaum. Sie hatte Angst.
    Endlich, die Mitte der Nacht musste bereits verstrichen sein, wurde gemeldet, der König wolle sich in seine Gemächer zurückziehen und verlange nach seinem Schlummertrunk. Augenblicklich war Reeva hellwach. Trotz der vielen Geräusche in der Küche konnte sie hören, wie hinter ihrem Rücken eine Karaffe heißen, gewürzten Weines vorbereitet wurde.
    Sie musste sofort handeln, oder der Moment würde an ihr vorbeiziehen, und damit die Möglichkeit zur Ausführung ihres Plans. Aber war es richtig, durfte sie es tun? Noch zögerte Reeva, ihre Hände lagen regungslos auf dem Stapel sauber geschrubbter Töpfe … „Ich bringe nun den Trank hinauf“, hörte sie eine Magd sagen, und schon stießen ihre Hände das Geschirr wie von selbst zu Boden.
    Das ohrenbetäubende Scheppern hallte von den steinernen Wänden wider. Alle fuhren herum, doch Reeva hatte sich bereits in einen finsteren Winkel geflüchtet. Ihre vor Aufregung eiskalten Finger tasteten nach dem Beutelchen an ihrem Gürtel – wo war es, wo war es nur – und schlossen sich dann fest um die eingehüllten Kräuter. Im allgemeinen Trubel bemerkte niemand, wie sie an dem Tisch entlangstrich, auf welchem die verwaiste Karaffe stand, eine kurze Handbewegung, schon war sie vorüber … und in dem dunklen Rot wirbelten fein zermahlene Pflanzenstückchen.
    Erst nachdem der Kelch fort und sie selbst zum schmutzigen Geschirr zurückgekehrt war, überfiel Reeva nachträglich ein heftiges Zittern. Doch nun war es getan, es war zu spät – ihr blieb nichts anderes, als zu warten.
     
    ***
     
    Die Tür flog auf, und ein Leibdiener des Königs stürzte herein. Sein Blick irrte ziellos durch den Raum, als wüsste er selbst nicht so recht, was er sich hier erhoffte. Dann stieß er atemlos hervor:
    „Ich brauche Hilfe – Seine Majestät leidet heftige Schmerzen! Er schwitzt und stöhnt, dass es einem bang werden will; wahrscheinlich hat er etwas Unrechtes gegessen. Ich habe gleich nach dem Leibarzt geschickt, doch der Mann ist nicht aufzutreiben, auch kein anderer Heiler – alle sind da draußen und saufen und tanzen, die ganze Stadt spielt völlig verrückt! Ich brauche einen Arzt, ich brauche Hilfe …“
    Und schon begann er sein Sprüchlein von neuem herunterzuleiern, während seine Hände wie die Schwingen eines ängstlichen Vogels durch die Luft flatterten. Reeva biss sich auf die Zunge und zwang sich, tief und ruhig zu atmen. Warte. Warte ab.
    „Da bist du bei uns falsch“, hörte sie den Küchenmeister bedauernd sagen. „Wir kennen uns hier mit Gewürzen und Küchenkräutern aus, doch weiter reicht unser Wissen auf diesem Gebiet nicht.“
    Die Hände des Mädchens verkrampften sich; es würde doch gleich etwas geschehen … würde etwas geschehen? Der Leibdiener wandte sich bereits um – war schon fast bei der Tür …
    „Halt!“ Eine helle Stimme, die Reeva aufatmen ließ. Langsam, ganz langsam lösten sich ihre Fäuste wieder. Der Diener drehte sich zurück und sah die Magd mit der verbundenen Hand hoffnungsvoll an. „Unser Aushilfsjunge ist doch auf diesem Gebiet bewandert – wenn’s nur ein verdorbener Magen ist, wird er’s schon richten können!“
    Mit einem klatschenden Geräusch fiel Reevas Wischlappen zu Boden. Während sie vom Leibdiener aus dem Raum gezerrt wurde, hätte sie sich wohl um unzählige Dinge sorgen können: Sie hätte sich etwa den Kopf darüber zerbrechen können, wie es ihr gelingen sollte, einem mächtigen Herrscher die Vision einer Waise aus dem einfachen Volk glaubhaft zu machen; oder sie hätte von der Angst gequält werden können, eine zu starke Dosis verwendet und dem König dauerhaften Schaden zugefügt zu haben. Doch derartige Gedanken fanden in ihrem Bewusstsein nun keinen Platz. Es gab für sie nur die langen Schritte des Dieners, denen sie ihre eigenen anzupassen versuchte und die sie durch die Gänge führten, bis zu den Gemächern des Königs.
     
    ***
     
    Der Anblick des Mannes, der sich von Krämpfen gequält in seinem prächtigen Bett zusammenkrümmte, weckte in Reeva schmerzliche Erinnerungen an ein ganz ähnliches Bild. Einen Moment lang verharrte sie regungslos an
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