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Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)
Autoren: Kira Gembri
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als Reeva zur Tür stürzte. Schon war sie im Freien, schon wollte sie weiterlaufen, als kräftige Männerhände sie von hinten an den Schultern packten. Sie zu Boden stießen.
    Der Regen strömte über ihr schlammbespritztes Gesicht und das kurze Haar, während ihre Arme gefesselt wurden. Dann warfen die Männer Reeva in ein Fuhrwerk, sodass sie unsanft auf den Brettern aufschlug. Wieder einmal. Sie hatte ihr Leben im Kreis gelebt …
     
    ***
     
    Das Schloss sah unter den dichten Wolken ebenso grau und trostlos aus wie jedes andere Gebäude auch. Jacob schob sich die Mütze tiefer ins Gesicht und zog seinen Kopf zwischen die Schultern, ohne jedoch das Tor aus den Augen zu lassen. Aber selbst wenn er den Blick abgewandt hätte, wäre ihm das Bild gestochen scharf in Erinnerung geblieben: Seit er vor wenigen Tagen in seine Heimatstadt zurückgekehrt war, hatte es sich tief in sein Gedächtnis eingebrannt.
    Einer der Wächter machte nun eine gereizte, scheuchende Handbewegung in Richtung des Burschen, doch die Geste wirkte bereits müde. Der ständig beim Haupteingang Herumlungernde ließ sich nicht vertreiben, das hatten die Männer inzwischen gelernt.
    Jacob trat von einem Fuß auf den anderen, um sich ein wenig aufzuwärmen. Er dachte an den Abend, an dem er wie besprochen dem Leibarzt ein Schlafmittel verabreicht hatte und dann in die Dachkammer des „Goldenen Hahns“ zurückgekehrt war, um dort auf Reeva zu warten – oder auf eine Nachricht von ihr. Halb befürchtete er, sie würde nicht zum König vorgelassen werden; der Plan war einfach zu wagemutig. Doch es wurde Nacht, es wurde Morgen, und Reeva kam nicht.
    Erst nachdem er seine Arbeit begonnen hatte, erreichte ihn der Klatsch der Stallburschen: Eine junge Frau aus dem Nachbarland sollte zum König vorgedrungen und hinterher gar wieder entkommen sein. Der Herrscher selbst, durch irgendein Hexenwerk in tiefen Schlaf versetzt, war erst kürzlich erwacht und hatte mehrere Männer auf die Suche nach dem listigen Weib geschickt.
    Jacob hatte sich sogleich auf den Weg gemacht. Irgendetwas ließ ihn ahnen, wohin Reeva unterwegs war, und er wusste auch, was dabei passieren konnte. Während er am Kutschbock neben dem Händler saß, der ihn gegen Bezahlung auf seinem Karren mitnahm, hatte er versucht, das Mädchen mit seinen Gedanken zu erreichen:
    Wage es nicht, Reeva. Bleib zumindest in den Wäldern. Und pass um Gottes willen auf dich auf!
    Als er die Stadt erreicht hatte, fühlte er sofort die Unruhe der Leute. Etwas, so hieß es, gehe seit einigen Tagen im Schloss vor sich; die hohen Herren schienen weit mehr Versammlungen abzuhalten als sonst, doch niemand wusste etwas Genaueres. Jacob lauschte auch keinem der Gespräche über den König; das Einzige, was er augenblicklich in Erfahrung brachte, war, dass die Heilerin immer noch gesucht wurde.
    Gleich nach seiner Ankunft war der Bursche zu seiner Familie geeilt. Die Mutter, deren Haar seit seinem Verschwinden mit weiteren grauen Strähnen durchzogen war, hatte vor Erleichterung geweint, und die kleinen Geschwister waren nicht von seiner Seite gewichen. Doch Jacob hatte sich kaum die Zeit genommen, seine Geschichte zu erzählen: Sein nächster Weg führte ihn zum Schloss.
    Nun wischte er sich die Regentropfen aus dem Gesicht und verharrte einen Moment in dieser Haltung, die Hände über den geschlossenen Augen.
    Das Getrappel von Hufen ließ ihn aufblicken. Ein Fuhrwerk hielt direkt vor dem Haupteingang des Schlosses; zwei bewaffnete Männer sprangen vom Kutschbock, um den Wagenschlag zu öffnen. Durch einen Schleier aus Regenschauern konnte Jacob sehen, wie eine dünne Gestalt herausgezerrt wurde und schwankend stehenblieb.
    Ein heftiges Reißen in seiner Brust, und schon stürzte er vor, wurde von einem der Männer aufgehalten, zurückgedrängt, sodass er stolperte.
    Die Gefangene hob den Kopf.
    „Reeva“, wollte er rufen, und: „Hab keine Angst“, doch seine Stimme war fort. Da war nur der Blick, den er ihr zuwarf … dann wurde sie durch den Eingang ins Innere des Schlosses getrieben.
    ***
     
    „Wohin mit ihr?“ – „In die Bibliothek; dort hält er sich gerade auf.“
    Reeva nahm die Worte der Männer nur undeutlich wahr, genauso wie ihre Umgebung; doch sie wusste, wo sich die Bibliothek befand. Wie in Trance trugen sie ihre ungleichen Beine bis zu der mit Schnitzereien verzierten Tür.
    Als die Männer stehenblieben, um sich beim König ankündigen zu lassen, blickte Reeva auf den Boden hinab.
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