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Das Luxemburg-Komplott

Das Luxemburg-Komplott

Titel: Das Luxemburg-Komplott
Autoren: Christian von Ditfurth
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musterte Zacharias, dann schaute er an die Decke. Rauch stand im Zimmer. Es war kalt, der Ofen in der Ecke wärmte kaum. Sie saßen in Mänteln an Dserschinskis Schreibtisch.
    »Wir schicken Sie nach Deutschland«, sagte Dserschinski. »Die deutschen Genossen brauchen Hilfe. Und wir brauchen jemanden, der uns berichtet. Sie sollen genau hinschauen, und was Sie sehen, berichten Sie uns. Der Genosse Radek wird Sie einführen in den Spartakusbund, der sich seit kurzem Kommunistische Partei nennt. Und Sie bekommen einen zweiten Auftrag: Wachen Sie über die Genossin Luxemburg.«
    Zacharias schaute ihn mit großen Augen an. Und dann dachte er an Margarete. Er stellte sie sich vor mit ihrem Pferdeschwanz, der wippte, wenn sie lief. Ob sie auf ihn gewartet hatte? Sie hatte schon lang nichts mehr gehört von ihm. Nun würde er zurückkommen. In seiner Erinnerung schien die Sonne, ein paar weiße Fetzen schwebten am Himmel. »Kaiserwetter«, nannten das die anderen. Er sah Margarete und sich im Tiergarten, Hand in Hand, auch wenn manche Passanten durch Blicke kundtaten, dass sie es unschicklich fanden. Sie war meist fröhlich, und wenn er sie umarmen durfte, spürte er ihren weichen Körper, der seine Selbstbeherrschung prüfte. Er verspottete sich wegen seiner rosaroten Erinnerung, die alle Sorgen wegwischte, die auf ihnen gelastet hatten. Aber so ähnlich wird es gewesen sein. Ihr Lachen, wenn er sie abholte zum Spaziergang oder sie besuchte bei ihren Eltern, die ihn schon als künftigen Schwiegersohn sahen. Sie sagten es natürlich nicht, aber wenn er sonntags kam, stellten sie ungefragt eine Tasse mehr auf den Tisch.
    »Wie wir gerade erfuhren, ist die Genossin Luxemburg nur knapp einem Mordanschlag entgangen. Sie war in den Händen konterrevolutionärer Freikorps, Liebknecht auch. Aber Liebknecht wurde befreit durch bewaffnete Arbeiter, er rief die Revolutionären Obleute auf, die Genossin Luxemburg ebenfalls zu befreien, und durchkreuzte die Pläne der Konterrevolution.«
    »Die Revolutionären Obleute?«
    »Sie wissen nicht, wer das ist? Sie sollten die Prawda nicht nur zum Heizen benutzen, Genosse Zacharias. Das sind Gewerkschafter, die sich im Krieg gegen die Burgfriedenpolitik von SPD und Gewerkschaftsführung aufgelehnt haben. Der Munitionsarbeiterstreik Anfang 1918 stand unter ihrer Führung, bis Ebert ihn abwürgte. Die revolutionären Arbeiter Berlins stehen hinter den Obleuten, noch nicht hinter den Kommunisten. Ich hoffe, Sie kennen wenigstens Ebert.«
    Zacharias nickte. Ebert war SPD-Vorsitzender und Vorsitzender des Rats der Volksbeauftragten in Berlin, ein Verräter.
    Dserschinski lächelte. Er zog Papiere aus einem Stapel auf seinem Schreibtisch, bis er endlich fand, was er gesucht hatte. »Hier ist ein telegrafischer Bericht eines zuverlässigen Informanten aus Berlin, in dem genau geschildert wird, wie die Genossin Luxemburg und der Genosse Liebknecht entkamen. Lesen Sie ihn durch und geben Sie ihn mir wieder.«
    »Wem gebe ich meine Berichte aus Berlin?«
    »Das erfahren Sie dort. Ein Genosse wird sich an Sie wenden, oder Sie suchen ihn auf, wenn er sich nicht meldet. Er heißt Karl Retzlaw, die Adresse gebe ich Ihnen später. Retzlaw wird Sie zum Genossen Radek bringen. Halten Sie sich zunächst an den Genossen Radek. Aber lassen Sie sich nicht einspannen von ihm.« Jetzt hörte er Dserschinskis polnischen Akzent. »Sie haben den Auftrag, eine Funktion in der Kommunistischen Partei zu übernehmen, die es Ihnen ermöglicht, die Genossin Luxemburg möglichst oft zu sehen. Welche Funktion, das ist Ihre Sache. Ihr darf nichts geschehen, und wir müssen wissen, was sie vorhat. Wir haben keinen wichtigeren Auftrag zu vergeben, Genosse Zacharias. Und ich verrate Ihnen, dass dieser Auftrag nicht von mir stammt.«
    »Ich bin Kriegsgefangener.« Warum sagte er das?
    »Das sind Sie seit März 1918 nicht mehr, seit dem Brester Vertrag. Sie haben unter der Leitung des Genossen Reuter gute Arbeit im Kriegsgefangenenkomitee geleistet, aber doch schon nicht mehr als Gefangener, sondern als Revolutionär. Sie sind ein Anhänger unserer Revolution, und Sie haben eine gute Biographie, jedenfalls für diesen Auftrag.« Er blätterte in der Akte und murmelte: »Geboren am 16. Januar 1888 in Berlin-Wedding in einer Arbeiterfamilie. Vater Metallarbeiter und seit 1875 Mitglied der SPD, unter dem Sozialistengesetz ein Jahr in Haft wegen Verbreitung sozialdemokratischer Propaganda. Da waren die Sozialdemokraten noch
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