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Das Los: Thriller (German Edition)

Das Los: Thriller (German Edition)

Titel: Das Los: Thriller (German Edition)
Autoren: Tibor Rode
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Doktortitel falsch verstanden hatte.
    »Ich weiß, bin ja nicht blöd. Es geht um meine Schmerzen. Mir hat einer gesteckt, dafür gibt es Penunsen!«
    Jetzt verstand Henri das Anliegen seines Klienten. Der Kerl wollte Schmerzensgeld. Das konnte ein sehr attraktiver Auftrag werden, dachte er. Konnte …
    »Kommt drauf an, ob du schuld gewesen bist«, erklärte Henri und spürte nun tatsächlich so etwas wie Erregung in sich aufsteigen. Bei derartigen Verletzungen konnten beträchtliche Summen zusammenkommen. Vielleicht ließ sich bei diesem Exemplar von Mandant sogar behaupten, dass er durch den Unfall blöd im Kopf geworden war. Oder abhängig. Henri verbot sich solche Hoffnungen jedoch sogleich. Wenn man im Knast etwas gelernt hatte, dann war es, aufkeimende Hoffnungen rasch zu unterdrücken. Vermutlich war der Unglücksvogel betrunken vor ein Auto gerannt. Dann gab es nichts. Im Gegenteil: Hatte der Autofahrer durch den Unfall einen Schock erlitten, würde er noch von dieser Schnapsdrossel Geld verlangen können.
    »Keine Schuld«, entgegnete sein Gegenüber und grinste.
    »Sicher?«, hakte Henri skeptisch nach.
    »Ich lag auf dem Bürgersteig, als der mich über den Haufen fuhr. Ein friedliches Nickerchen. Nicht an der Straße, nicht in der Mitte, sondern schön ordentlich an der Hauswand. Der bretterte zu schnell in die Kurve. Rausgetragen, voll in mich rein. Hat auch die Polizei gesagt. Die haben den sogar verhaftet.«
    Henri jubilierte innerlich. Warum auch immer der Kerl auf dem Bürgersteig geschlafen hatte: Das klang doch sehr nach unschuldigem Unfallopfer.
    »Dann brauche ich alle Unterlagen, die du über den Unfall hast. Und du musst mir dies unterschreiben …« Henri erhob sich, kramte in einem Karton, der unter dem Schreibtisch auf dem Boden stand, und zog ein verknittertes Blatt Papier hervor. »Ich trage da später alles ein. Erst einmal brauche ich nur deine Unterschrift.« Henri gab dem anderen einen Stift und das Papier.
    »Ist das so was wie eine Vollmacht, oder so?«, fragte der Geldbüßer überraschend skeptisch und versuchte, den Text zu lesen.
    »Wenn man hier drin Anwalt ist, dann ist das alles ein bisschen schwieriger«, entgegnete Henri ausweichend. »Da kann ich nicht so praktizieren wie auf der anderen Seite der Gitterstäbe. Vollmachten gibt es hier nicht. Das ist eine Abtretungserklärung. Du trittst mir deine Ansprüche gegen den Unfallfahrer und seine Versicherung ab. Ich mache das dann im eigenen Namen geltend, und wenn das Geld bei mir eingeht, dann zahle ich es an dich aus. Ich behalte lediglich eine kleine Provision – zusätzlich zur Paketmarke.« Dass er eigentlich gar kein Anwalt mehr war, weil ihm mit der Verurteilung seine Zulassung entzogen worden war, erwähnte er nicht. Das war eine reine Formalie, die hier drin sowieso keiner verstand.
    Das Gesicht des alkoholsüchtigen Unfallopfers verdüsterte sich jedoch noch mehr. »Muss … Muss das so sein?«, stammelte er unsicher. »Kann ich nicht einfach eine Vollmacht unterschreiben, so wie bei meinem Pflichtverteidiger auch?«
    Henri stutzte. »Was ist dein Problem?«
    »Es ist nur, was die Jungs so reden.«
    »Was reden die Jungs denn so?« Henri richtete sich auf. Er ahnte, worauf das hinauslief.
    »Na, die sagen, da muss man aufpassen.«
    »Wo muss man aufpassen?«, hakte Henri mit wachsender Ungeduld nach.
    »Ist nur so ’n Gerede. Die sagen, Sie säßen hier drinnen, weil Sie da draußen als Anwalt … Na ja, weil Sie Mandanten beschissen hätten. Sogar eine Behinderte.«
    »Eine Behinderte?«, wiederholte Henri.
    »Hey, ich erzähle Ihnen nur, was so geredet wird.«
    »Und nun hast du Angst, dass ich dich anscheiße?«
    Der neue Klient nickte unsicher.
    Unter den ängstlichen Blicken seines Besuchers erhob sich Henri und ging mit langsamen Schritten zur Tür. Nachdem er sie geschlossen hatte, schlenderte er zurück zum Schreibtisch. Anstatt sich wieder hinzusetzen, lehnte er sich gegen den Tisch und baute sich mit verschränkten Armen vor dem jungen Mann auf.
    »Wie heißt du?«, fragte er gutmütig und nahm einen Zug vom Zigarillo.
    »Martin«, antworte der Klient.
    »Martin«, wiederholte Henri, als würde der Name ihm irgendetwas sagen. Mit einer langsamen Bewegung streckte er den Arm aus und ließ, gleich einem Golfer, der einen Ball am Wasserhindernis droppt, den Zigarillo in den Schoß von Martin fallen. Dieser griff ebenso verdutzt wie erschrocken danach. Ein Schmerzensschrei begleitete das Aufeinandertreffen
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