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Das Locken der Sirene (German Edition)

Das Locken der Sirene (German Edition)

Titel: Das Locken der Sirene (German Edition)
Autoren: Tiffany Reisz
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sie etwas ernster.
    „Nicht in der ersten Person Singular, nicht im Präsenz. Keine Witze. Hören Sie auf, über das zu schreiben, was Sie kennen, und schreiben Sie über das, was Sie wissen wollen. Und“, er zeigte mit dem Finger auf sie, „ich will keinen Ihrer billigen Tricks lesen.“
    Sie straffte die Schultern, als habe er endlich ihren wunden Punkt gefunden. „Ich versichere Ihnen, Mr Easton“, erwiderte sie in einem Tonfall, der ernst und tadelnd zugleich klang, „meine Tricks sind alles andere als billig.“
    „Beweisen Sie es mir. Sie haben vierundzwanzig Stunden.“
    Sie lehnte sich in dem Stuhl zurück und lächelte.
    „Ich scheiß auf Ihre vierundzwanzig Stunden. Sie bekommen den Text schon heute Abend.“

3. KAPITEL
    B etäubend.
    Als Lektor zwang Zach seine Autoren oft, tief zu graben, das Offensichtliche beiseitezuschieben und das perfekte Wort für jeden Satz zu finden. Und das perfekte Wort für diese Buchpräsentation, die zu besuchen man ihn gezwungen hatte?
Betäubend
.
    Zach durchquerte den Raum mit steifen Schritten und sagte kaum mehr als ein gelegentliches Hallo zu dem einen oder anderen bekannten Gesicht. Er war nur gekommen, weil J. P. ihm die Daumenschrauben angelegt hatte und Rose Evely – der Ehrengast – nun seit dreißig Jahren Autorin bei Royal House war. Was war das nur für eine lächerliche Feier. Jemand hatte die Lichter gedimmt, um eine Atmosphäre wie im Nachtclub zu schaffen, aber keine noch so geschickte Lichtspielerei würde aus dem banalen Bankettsaal des Hotels jemals etwas anderes machen als einen beigefarbenen Kasten. Er ging zu der Wendeltreppe in der Ecke des Raumes und schaute immer wieder auf die Uhr. Wenn er zwei Stunden auf dieser Feier überleben würde, reichte das vielleicht, um den sozialen Schmetterling, der sich sein Boss nannte, zu befriedigen.
    Er ließ seinen Blick über die Menge schweifen und sah seine achtundzwanzig Jahre alte Assistentin, die gerade versuchte, ihren frisch angetrauten Ehemann zu überreden, mit ihr zu tanzen. In seiner ersten Woche bei Royal hatte er mit freudiger Überraschung erfahren, dass seine temperamentvolle Assistentin genau wie er jüdisch war. Er hatte sie damit aufgezogen, noch nie zuvor eine Jüdin namens Mary kennengelernt zu haben, und nannte sie ab da
seine Pseudoschickse
. Mary nannte ihn trotz ihrer liebreizenden Schroffheit immer nur
Boss
.
    J. P. stand mit Rose Evely zusammen. Beide waren seit Jahrzehnten glücklich mit ihren jeweiligen Ehepartnern verheiratet, aber das hielt J. P. nicht davon ab, mit jeder Frau zu flirten, die die Geduld hatte, seinen literarischen Ausschweifungen zuzuhören. Auf dieser miserablen Party schienen sich tatsächlich alle zu amüsieren. Warum konnte er das nicht?
    Ein weiterer Blick auf die Uhr.
    „Ich kann Sie retten, wenn Sie wollen.“ Die Stimme kam von über ihm.
    Zach wirbelte herum und schaute nach oben. Dort, am oberen Ende der Treppe, stand Nora Sutherlin und lächelte ihn an.
    „Mich retten?“ Er hob fragend eine Augenbraue.
    „Vor dieser Party.“ Sie lockte ihn mit ihrem Zeigefinger.
    Zachs gesunder Menschenverstand warnte ihn, dass die Treppe hinaufzusteigen eine ganz schlechte Idee war. Doch seine Füße überstimmten seinen Geist, und er stieg die paar Stufen hinauf und gesellte sich zu Nora auf die Plattform. Er ließ seinen missbilligenden Blick über ihre Kleidung gleiten. Am Morgen in ihrem Haus hatte sie einen unförmigen Pyjama getragen, der abgesehen von ihrer überbordenden Persönlichkeit alles von ihr verborgen hatte. Jetzt sah er in voller Pracht, was er sich zuvor nur hatte vorstellen können.
    Natürlich trug sie Rot. Blutrot. Allerdings nicht sehr viel davon. Das Kleid fing direkt an ihren Brustwarzen an und endete im oberen Viertel ihrer Oberschenkel. Sie hatte wundervolle Kurven, die auch der dramatische, bis zum Boden reichende rote Mantel, den sie über dem Kleid trug, nicht verbergen konnte. Ihre schwarzen geschnürten Lederstiefel reichten bis zum Knie. Piratenstiefel und ein schelmisches Lächeln an einer wunderschönen schwarzhaarigen Frau – zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte Zach sich nicht wie betäubt.
    „Woher wussten Sie, dass ich von dieser Party errettet werden musste, Ms Sutherlin?“ Zach lehnte sich rücklings gegen das Geländer und verschränkte die Arme vor der Brust.
    „Ich habe Sie seit Ihrer Ankunft von meinem kleinen Krähennest hier beobachtet. Sie haben vielleicht fünf Wörter mit vier Leuten gewechselt,
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