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Das Lied des Dunklen Engels

Das Lied des Dunklen Engels

Titel: Das Lied des Dunklen Engels
Autoren: Paul C. Doherty
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Pastoureaux schon in dieser Gegend?« fragte er Gurney.
    »Ungefähr sechzehn Monate. Master Joseph und sein fähiger Gehilfe Philip Nettler kamen Anfang des Herbstes hierher. Sie entdeckten die alte Eremitage und fragten, ob sie dort leben könnten. Sie versprachen, für mich und die Meinen keine Bedrohung darzustellen.« Gurney zuckte mit den Achseln. »Ich erlaubte ihnen also zu bleiben. Sie züchten ihre eigenen Kräuter und halten ein paar Schweine und Hühner. Ich war in der ersten Zeit gelegentlich dort und habe nichts Verdächtiges bemerkt. Sie haben eine behelfsmäßige Kapelle und ein Refektorium für alle. Wenn das Wetter gut ist, ziehen sie zur Landstraße und betteln.«
    »Und die Leute aus dem Dorf?«
    »Anfänglich waren sie mißtrauisch. Es stellte sich jedoch heraus, daß die Pastoureaux, besonders Master Joseph und Philip Nettler, ehrliche und fleißige Leute waren, so daß die Bewohner des Dorfes sich schließlich mit ihnen abfanden. Einige junge Männer und Frauen aus dem Dorf haben sich den Pastoureaux angeschlossen und sind mit ihnen weitergezogen...«
    »Weitergezogen?« unterbrach ihn Ranulf. »Edler Herr, warum sollten sie überhaupt reisen?«
    Alice antwortete ihm. »Sie haben eine Vision«, sagte sie. »Sie glauben, daß die Wiederkehr Christi unmittelbar bevorsteht. Wenn sie ihre Seele gereinigt und sich ausreichend vorbereitet haben, dann wandern sie nach Hull oder zu einem anderen Hafen und nehmen von dort ein Schiff nach Outremer. Laut Master Joseph sollen sie sich in der Nähe des Ölbergs versammeln, dort wird Christus bald in einem Feuerwagen erscheinen.«
    »Und das glauben sie?« spottete Ranulf.
    »Warum nicht?« sagte Alice. »Es gibt doch wohl ähnliche Bewegungen in ganz Europa.«
    »Aber zweifelt das denn niemand an?« beharrte Ranulf.
    »Die Pastoureaux sind auch zu mir gekommen«, wandte sich Lady Cecily an ihn. »Wir haben ihnen Kleiderstoff, Wein und Essen gegeben. Dafür arbeiten sie auf unseren Ländereien, in unseren Gemüse- und Obstgärten, wie eben bei Sir Simon auch. Ihre Gemeinschaft befindet sich in ständiger Veränderung, die jungen Männer und Frauen scheinen jedoch voller Hoffnung zu sein. Sie halten sich einige Wochen lang in der Eremitage auf, Father Joseph nennt das die Periode der Purifikation, dann werden sie von ihm oder von Master Philip zum nächsten Hafen gebracht. Sie erhalten Geld, Papiere, Kleider zum Wechseln und einige Lebensmittel, und dann segeln sie davon.« Sie zuckte mit den Achseln. »Sie machen auf mich einen ehrlichen Eindruck. Sie besitzen alles gemeinsam, und alles, was sie verdienen, kommt in die gemeinsame Kasse.«
    Sie lächelte Ranulf an, und der Diener bemerkte den lüsternen Ausdruck ihrer Augen.
    Heißblütig, dachte er und mußte lächeln, vielleicht wäre ein Besuch bei den guten Stiftsdamen kein Fehler. Ranulf prahlte oft Maltote gegenüber: »Ich bin ein geborener Gauner, und ich merke sofort, wer ebenfalls ein Gauner ist.« An diesem Abend herrschte an ihnen jedenfalls kein Mangel, und er überlegte sich kurz, während er noch der Priorin tief in die Augen schaute, was Meister Langschädel wohl von dem allen hielt.
    »Die Frauen reisen ebenfalls ins Ausland?« fragte Corbett. »Warum nicht?« entgegnete Father Augustine. »Was hat ein junges Mädchen schon in einem Bauerndorf zu erwarten? Harte Arbeit und eine Heirat mit einem Tölpel. Die vielen Schwangerschaften haben sie schon halb umgebracht, wenn sie nicht einmal zwanzig Lenze zählt. Den jungen Männern ergeht es nicht viel besser, sie sind entweder an den Pflug gekettet oder werden für den König in den Krieg nach Schottland geschickt.«
    »Ich mag sie einfach nicht«, warf Adam Catchpole ein. Er verschränkte seine kräftigen und muskulösen Arme bedächtig auf der Tischplatte. »Ich mag weder Philip Nettler noch diesen heiligen Master Joseph. Beide sind sie Tagediebe! Ich komme aus einem Dorf wie diesem.« Seine rauhe Stimme wurde plötzlich lauter. »Ich habe mit diesen Sekten schon früher zu tun gehabt! Sie erzählen diesen Einfaltspinseln, daß Jerusalem um die Ecke oder hinter dem nächsten Hügel liegt, und das stimmt einfach nicht!« Er schaute Corbett an. »Und Ihr wißt das, oder, Sir Hugh? Sonst wäret Ihr und Master Monck auch nicht hier.«
    »In gewisser Weise, ja«, entgegnete Corbett gelassen. Er hielt inne, und ein Diener füllte seinen Becher nach. »Die Bewegung der Pastoureaux«, fuhr er fort, »entstand in Frankreich. Der Name bedeutet Hirten.
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