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Das Lied der schwarzen Berge

Das Lied der schwarzen Berge

Titel: Das Lied der schwarzen Berge
Autoren: Heinz G. Konsalik
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würde es nicht empfehlen, nach Zabari zurückzufahren! Noch nicht, Herr Meerholdt! Ich habe gehört, daß das Dorf völlig vernichtet ist?«
    »Wo das Dorf war, ist heute nur noch ein See. Aber wir werden in Kürze das Tal wieder frei bekommen und das Wasser bändigen können. Dann kann Zabari neu entstehen und schöner, als es war! Wir werden neben dem Staudamm und unter dem Felsenfluß eine moderne Stadt erbauen!«
    Der alte Serbe nickte weise. »Die Jugend! Der Geist des Fortschritts! Wenn früher über die Bosna eine neue Brücke gebaut wurde, eine kleine, runde Brücke aus Steinen und Flechtwerk, dann war es das Werk von zwei oder drei Generationen. Heute wird ein Landstrich vernichtet … und schon rechnet man aus, daß in drei oder vier Jahren aus dieser Vernichtung etwas noch Schöneres entstehen wird. Als ob es keine Zeit mehr gäbe. Wir Menschen wachsen über uns hinaus, Herr Meerholdt … ich habe manchmal Angst davor.«
    Ralf Meerholdt sah zu Boden und faltete die Hände. »Wir resignieren nicht mehr vor dem Schicksal, wie es unsere Vorväter taten … wir kämpfen gegen es an und bezwingen es, wenn wir es können. Das ist alles. Der Mensch hat einen Einbruch in die Sphäre dessen getan, was man vor hundert Jahren noch Gottes Wille nannte!«
    »Und Sie finden das gut?«
    »Gut …? Es ist nützlich! Das ist alles. Oder wollen Sie sagen, daß die Wiedergeburt Zabaris nicht gut sei?«
    »Richtig – Zabari!« Der Chefarzt lächelte verzeihend. »Wir kamen vom Thema ab und wurden weltschmerzlich! Das ist Unsinn … wir Alten kommen nur nicht mehr mit! Zabari! Das wollte ich Ihnen noch sagen: Lassen Sie Fräulein Suhaja hier oder woanders … aber holen Sie sie erst in die Berge zurück, wenn das neue Dorf – oder die Stadt, wie Sie sagen – fertig ist! Ersparen Sie ihr den Anblick der zerstörten Heimat. Sie weiß, daß ihre Eltern leben, sie weiß, daß man ihnen alles wiedergeben wird … wie es richtig aussieht in Zabari, das hat sie gar nicht wahrgenommen!« Der Chefarzt schüttelte den Kopf. »Man sollte meinen, sie habe die rauhe und derbe Natur einer Bergkatze … und dabei hat sie eine so zarte Seele.« Er lächelte und legte Meerholdt die Hand auf die Schulter. »Und sie liebt Sie. Es gibt eigentlich für sie nichts anderes auf der Welt als Sie. Sie sollen verdammt sein, wenn Sie jemals dieses Mädchen im Leben enttäuschen …!«
    Später gingen sie durch die langen, weißgestrichenen Gänge der Klinik. Die Schwestern, in großen, wehenden weißen Hauben, knicksten vor ihnen, die jungen, schwarzlockigen Ärzte in den weißen Mänteln standen stramm und traten an die Seite, wenn sie ihnen begegneten. Der Chefarzt grinste.
    »Junge Militärärzte, die hier ein wenig Klinikluft atmen. Sie sollen hier lernen, daß der Patient nicht ein Stück Fleisch ist, sondern ein Mensch!« Er lachte. »War das nicht bei Ihnen so, in Deutschland? Zwei Standard-Medikamente: Rizinus und Aspirin?«
    Meerholdt winkte ab. »Erinnern Sie mich nicht daran. Mein Stabsarzt in Rußland sagte immer, wenn einer der Verwundeten vor Schmerzen schrie: ›Kerl, ein Landser kann ohne Kopf herumlaufen – dann singt er noch die Wacht am Rhein … aber er schreit nicht!‹«
    Der Chefarzt lächelte und nickte.
    Vor einer Tür hielten sie. Sie lag am Ende des Ganges. Der alte Serbe blieb stehen. »Hier ist es.«
    Meerholdt drückte ihm die Hand. »Ich bin Ihnen so dankbar.«
    »Seien Sie still …« Der Chefarzt öffnete leise die Tür. Er schob sie auf und blickte hinein. »Sie schläft. Nur einen Blick … dann schluß.«
    Auf Zehenspitzen trat Meerholdt in das helle, sonnige Zimmer. Rosa lag in den Kissen … ihr blasses, schmales Gesicht war von innerem Frieden überstrahlt. Ihr langes, schwarzes Haar lag auf der Bettdecke wie eine ausgebreitete Stola. Sie atmete ruhig.
    Meerholdt betrachtete sie. Er spürte sein Herz zucken, ein Strom von Liebe und Glück durchrann ihn heiß. Rosa, dachte er. Ich will dem Schicksal alles verzeihen für die eine Stunde, in der ich dich sah.
    Leise legte er den Blumenstrauß, den er mitgebracht hatte, auf ihr Bett und verließ auf Zehenspitzen wieder das Zimmer. Vorsichtig, damit sie nicht knarrte, zog er hinter sich die Tür zu.
    Der Chefarzt faßte ihn unter … sie gingen die langen Gänge bis zum Ausgang wieder zurück. Vorbei an den knicksenden Schwestern und den jungen, strammstehenden Ärzten.
    »In 14 Tagen«, sagte der alte Serbe, als Meerholdt wieder im Wagen neben dem Arzt aus Zabari
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