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Das Lied der schwarzen Berge

Das Lied der schwarzen Berge

Titel: Das Lied der schwarzen Berge
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht …«
    Mit einem Aufschrei stürzte Jossip auf die Schnur. Er erreichte sie … er wollte sie herunterreißen … da sprang die blaue Flamme in das Bohrloch und verschwand. Einen Augenblick nur ergriff entsetzte Erstarrung die drei Menschen … dann krachte es in dem Felsen … die Wand riß auf … ein unheimlicher, dicker Wasserstrahl schoß aus ihr hervor … Steine, Felsbrocken, Kies schleuderte er vor sich her wie ein Katapult … der Fels brach auseinander … das befreite Wasser zerriß die Wand … mit einem unbeschreiblichen Krach zerbarst der Berg und stürzte hinab ins Tal. Und mit ihm der See … das Wasser, die Sintflut … die Vernichtung allen Lebens … Der Himmel wurde dunkel … die Luft war nicht mehr da … nur ein Brausen, Krachen, Gurgeln und Aufschreien der Natur, ein Zusammenbrechen von Bäumen und Häusern, eine unerschöpfliche Lawine aus Wasser und Erde und Steinen … Es gab keine Sonne mehr … es war nur ein Donnern auf der Welt, ein Donnern des Jüngsten Gerichtes.
    Als der Felsen aufriß, warf sich Rosa auf Meerholdt zurück. Sie flog an ihn heran, und von ihrem Aufprall verlor er den Halt und stürzte seitwärts den Hang hinab, rollte, sie umklammernd, zur anderen Seite des Tales und blieb im Wurzelwerk eines Baumes liegen. Bewußtlos, eng aneinandergepreßt, lagen sie so auf halber Höhe und sahen nicht mehr den Untergang Zabaris.
    Der See stürzte mit einem einzigen Aufschrei zu Tal. Er riß Jossip mit, den weinenden Jossip, der den Knüppel noch einmal hob, ehe ihn die grauenhafte Woge erfaßte. Dann prallte die Flut und mit ihr der ganze Felsen auf die Häuser, das Leben zermalmend, das Tal füllend, auf die Sperrwand zulaufend und sie in einem Anlauf zerbrechend wie ein Gebilde aus Streichhölzern. Die Brücke wurde weggerissen, das Turbinenhaus versank in einer einzigen Flut, das Lager, die Zelte, die Wege wurden in Sekunden überspült. – Hauptmann Vrana und seine sieben Mann wurden vom Hang weggefegt und wirbelten mit den Wassermassen schreiend ins Tal … die Bauern, die noch ihre Herden holten, verschwanden in den Strudeln … und immer noch, unaufhaltsam, unerschöpflich brach aus dem aufgerissenen Felsen das Wasser hervor und stürzte ins Tal … kristallklares Wasser, das in der Sonne schimmerte wie flüssiges Silber …
    Stanis Osik stand auf einer Insel inmitten der Vernichtung. Mit Augen, die alles noch nicht begriffen, sah er die Welt um sich herum untergehen … es gab kein Tal mehr, nur noch einen See … es gab keine Sperrmauer mehr … nur noch Wasser … kein Turbinenhaus … kein Lager … keine Häuser … keinen Wald … keine Menschen … Wasser … gurgelndes, schreiendes, brausendes Wasser, das aus einer riesigen Wunde der Erde hervorstürzte und immer weiter und weiter lief, als habe man eine Arterie der Erde aufgesprengt, und sie begann auszubluten …
    Die Wasserflut erreichte wie eine hohe Wand die Flüchtenden auf der Bergstraße. Bonelli sah sie kommen … er riß Katja zu sich auf die Arme und rannte den Pfad weiter, höher, immer höher … Dann brauste es unter ihm heran, fegte die Wagen in den Abgrund, stieß die schreienden Menschen in die Tiefe … die Köpfe von schwimmenden Rindern und Schafen tauchten sekundenschnell auf … dann donnerten die Steine mit der Flut heran und erschlugen sie.
    Über die Höhenstraße rannten die Menschen in blinder Panik. Die Arbeiter waren bis auf den Katastrophentrupp, der an der Staumauer in zwei Sekunden vernichtet wurde, in Sicherheit … aber unter den Bauern ergriff die Flut die meisten und wirbelte sie in die Unendlichkeit. Fedor und Marina standen nicht weit von Bonelli auf dem Berg und beteten. Sie knieten nieder, und während unter ihnen die Wassermassen die Welt vernichteten, sangen sie die alten Lieder ihrer Heimat und beteten die alten Gebete ihrer Ahnen.
    Über die Felssteige, die sonst nur die mutigsten Tiere nahmen, hetzten die Menschen. Unter ihnen, vor Angst brüllend, kletterte ein Bär hinauf. Kreischend kreisten die Adler über dem versunkenen Land. Und noch immer spie der Felsen die Fluten aus … unersättlich in seiner Vernichtung, die Seitentäler füllend und aus den engen Schluchten ein Bett reißender Flüsse machend.
    Stanis Osik stand allein inmitten des Wassers und starrte an dem aufgerissenen Felsen empor. Meerholdts Ahnung – hier war sie wieder Wirklichkeit geworden. Wirklichkeit, die Hunderten Menschen das Leben kostete, Tausenden Tieren … und auch das Leben des
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