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Das Lied der schwarzen Berge

Das Lied der schwarzen Berge

Titel: Das Lied der schwarzen Berge
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Felsmund eingemauert … auf Betonpfeilern schwangen sie sich wie eine riesige, weißglänzende Schlange ins Tal. Auf dem Boden des abgerissenen Waldes entstanden die ersten Planierböden … Fundamente wurden gegraben, Betonmischer donnerten Tag und Nacht. Die zerstörte Brücke wurde an großen Flaschenzügen und mächtigen Stahlkränen emporgezogen und neu befestigt … die eingesunkene Staumauer wuchs wieder empor … durch die Verschalungen rieselte der Beton. Die Stahlgeflechte wurden zurechtgebogen – als das Dorf auftauchte und das Wasser versickerte – sieben Wochen nach dem Untergang – fuhren die ersten Raupenschlepper durch den Schlamm und zogen an Stahlseilen Hunderte von Kühen, Schafen und Schweinen in die Schluchten, bargen die Toten in den Häusern und Ställen und säuberten das Tal, indem sie alles niederwalzten, was noch an Hütten und Ställen stehen geblieben war.
    Ralf Meerholdt und Stanis Osik wohnten wieder in einer Baracke nahe der Staumauer. Tag und Nacht gingen die Detailpläne an die Kolonnenführer … die Techniker – aus Belgrad und Mostar waren noch siebzehn gekommen – zeichneten und planten in drei Schichten … Landmesser kamen aus Titograd und vermaßen das Tal neu … auf den großen Bogen Detailpapier und den riesigen Transparentblättern der Architekten entstand das neue Zabari … eine Stadt mit Läden, Straßen, einem Kino, einer Kirche, einer kleinen Moschee, einem Krankenhaus, einem Parteihaus, einem Strandbad am Stausee und einem Rathaus, in dem der Bürgermeister wohnen sollte. Aus den Bauern sollten Städter werden … Händler, Handwerker, Arbeiter. Ihre Wohnungen waren luftig, sonnig, modern. Um die reißenden Schmelzwasser im Frühjahr nicht in die Stadt laufen zu lassen, hatte man ein raffiniertes Grabensystem erfunden, das die Wasser in den Bergen abfing und ableitete.
    Eine Stadt auf dem Papier … ein phantastischer Plan, ein Triumph menschlichen Willens.
    Stanis Osik sah Meerholdt zufrieden an. »Marschall Tito hat Ihnen eine Pension ausgesetzt«, sagte er und bot Meerholdt eine Zigarre an. »Monatlich 4.000 Dinare – bis zu Ihrem Lebensende und – verzeihen Sie, aber ich muß es sagen – auch für Ihre Witwe! Ich gratuliere.« Er streckte Meerholdt die Hand hin. »Es gibt für Sie keine Zukunft mehr – Sie werden bis zu Ihrem Tode immer in der Gegenwart leben!«
    »Ich danke Ihnen sehr, Herr Osik.« Er drückte die angebotene Hand. »Wie geht es Elena?« fragte er dann zögernd.
    »Sie ist noch in Zagreb!« Osik winkte ab. »Zuerst hat sie noch ein wenig getobt … dann war sie in Sarajewo bei Rosa …«
    »Was?!« Meerholdt war entsetzt. »Wer hat sie vorgelassen! Ich hätte das auf jeden Fall verhindert.«
    »Es war auch Rosas Wunsch, Meerholdt.« Osik räusperte sich. »Sie haben sich ausgesprochen, die beiden. Es war gut so, glauben Sie es mir. Besser, als wenn Sie wieder durch Rücksichtnahme gegen den einen oder anderen die Lage in der Schwebe gehalten hätten. Elena hat euch alles Glück auf Erden gewünscht und ist von Sarajewo gleich weiter nach Zagreb gefahren. Ich soll Sie grüßen, Meerholdt, wenn Sie einmal nach ihr fragen sollten. Ich tue es hiermit. Und ich soll Ihnen sagen, daß sie darum keinen Abschied von Ihnen genommen hat, weil sie trotz des Verzichtes nicht anders empfindet als vorher. Es wäre ein schrecklicher Abschied geworden!«
    »Sie tut mir leid«, sagte Meerholdt leise. Er schämte sich vor Osik.
    »Sie wird andere Männer finden und lieben lernen.« Osik steckte seine Zigarre an. »Im Winter wollen wir nach Ägypten fahren … nächstes Frühjahr nach Cannes und Nizza. Elena wird vergessen, wenn sie den gewohnten Luxus wieder um sich hat. Und bilden Sie sich bloß nicht ein, der einzige Mann auf der Welt zu sein, der Elena imponiert!«
    Lachend gingen sie in den Nebenraum.
    An zehn Zeichenbrettern standen die Techniker und zeichneten die Details der Pläne.
    »Darf ich zurückfragen?« meinte Osik. »Was macht Rosa?«
    »Sie ist in Dubrovnik. Es geht ihr gut.« Meerholdt sah aus dem Fenster hinaus auf die Baustellen und das Tal, in dem die ersten Bauten emporwuchsen … das neue Zabari. »Ich werde nächste Woche zu ihr fahren und ihr sagen, daß ich –«, er zögerte und drehte sich von Osik weg, damit er nicht seine Erschütterung sah – »daß ich in Jugoslawien bleibe … in Zabari …«
    »Meerholdt!« Osik riß ihn an der Schulter herum und drückte ihn an sich. »Kerl … ist das wahr?!«
    Und Stanis Osik küßte
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