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Das Lied der Cheyenne

Das Lied der Cheyenne

Titel: Das Lied der Cheyenne
Autoren: Thomas Jeier
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auf, als sie das Haus stürmten und der verdammte Zeb den Wasserkessel zerschoss.
    »Hast wohl Angst, dass ich sie zu Tode vögle?«, lärmte Bloody. Er ging zu der Indianerin und schob ihr den Büchsenlauf zwischen die Beine. Sie ließ es widerstandslos und mit versteinertem Gesicht geschehen. Er lachte meckernd. »Keine Angst, ich nehm’ dir die Schlampe schon nicht weg!« Er packte sie am Arm und schleuderte sie dem Händler entgegen.
    Der Händler hielt bereits einen Strick in der Hand und fesselte sie an den Handgelenken. Er zog einen Beutel mit Gold aus seiner Tasche und warf sie dem Iren zu.
    »Und der Whisky?«, fragte Bloody.
    »Steht auf dem Wagen«, antwortete der Tinker, »den müsst ihr schon selber abladen. Aber beeilt euch, ich will gleich wieder weg. Hab’ keine Lust, in eurem Camp Wurzeln zu schlagen.«
    Bloody kicherte. »Hast es wohl verdammt eilig.«
    Die Trapper stürmten nach draußen und luden den Whisky vom Wagen. Sie schleppten die Kisten johlend in den Laden und fingen schon während der Arbeit damit an, die Flaschen zu leeren. Die Wildnis war einsam, und sie kamen nur alle paar Monate aus den Bergen heraus. Sie brauchten den Whisky, um die Vergangenheit zu vergessen und die Zukunft besser ertragen zu können. Nur Jean Baptiste, der Franzose, war einigermaßen nüchtern. Er blieb mit der letzten Kiste vor dem Laden stehen und beobachtete mit gemischten Gefühlen, wie Tinker die Indianerin mit dem Büchsenkolben stieß und zum Wagen trieb. Viel Glück, rief er der Indianerin in Gedanken zu.
    Büffelfrau zeigte ihren Schmerz nicht. Ihr Gesicht blieb unbeweglich, als sie zum Wagen stolperte, und nur tief in ihren Augen sah man den Schmerz und den Zorn darüber, im entscheidenden Augenblick versagt zu haben. Es hatte wohl an den festen Wänden gelegen, dass sie die Ve-hos nicht gehört hatte. Und sie hatte sich zu sehr auf Blaue Augen verlassen. Die Gefühle, die sie für den weißen Mann empfand, hatten sie blind gemacht und den lärmenden Weißen in die Arme getrieben. Sie waren berauscht, hatten das braune Wasser aus den Flaschen getrunken, sie war ihnen in die Falle gegangen.
    »Hörst du die verdammten Saufbrüder?«, fragte Tinker, obwohl er wusste, dass sie ihn nicht verstand. »Denken wohl, sie hätten mich übers Ohr gehauen. Dabei hab’ ich sie geleimt. Wenn die wüssten, wie viel Geld ich mit dir verdiene, würden sie mich teeren und federn und an den Fahnenmast hängen!«
    Büffelfrau kletterte auf das rollende Tipi. Die Ladefläche war leer, und sie hielt sich mit beiden Händen an einer Verstrebung fest. Es dämmerte bereits, und das Gesicht des Händlers war deutlich zu sehen, als er einen zweiten Strick aus seiner Tasche zog und auch ihre Füße fesselte. Er war ein dicker Mann mit aufgedunsenen Backen und kleinen Schweinsäuglein, die beinahe vollständig hinter Fettwülsten verborgen waren. Sein Gesicht war gerötet, und er schnaufte während der Arbeit. Er trug einen grauen Filzhut und einen langen Staubmantel, der offen stand und den Blick auf ein schmuddeliges Hemd und eine schwarze Leinenhose mit Hosenträgern freigab. Büffelfrau wusste, dass er ein Händler war. Auch bei ihrem Volk gab es reisende Händler, die mit Tauschwaren von einem Dorf zum anderen zogen, Geschichten erzählten und ihre Waren tauschten. Aber sie waren besser gekleidet und immer fröhlich, weil sonst niemand mit ihnen gehandelt hätte. Die Ve-hos waren anders, und was sie sah, gefiel ihr nicht besonders.
    Es war erniedrigend, gefesselt auf dem rollenden Tipi zu sitzen und aus dem Dorf gefahren zu werden. Die Räder knarrten und ächzten, und der Händler ließ laut seine Peitsche knallen, und als sie durch einen schmalen Bach fuhren, legte sich der Wagen gefährlich auf die Seite, und sie bekam es mit der Angst zu tun. Aiee, den Händler und sein rollendes Tipi hatten die bösen Geister geschickt. Warum behielten sie die Oberhand, wenn die heiligen Pfeile in ihrer Gewalt waren? Sie spürte das heilige Bündel an ihrer Brust und betete zu Maheo, der sie immer noch auf eine harte Probe stellte. »Warum tust du mir das an, Maheo? Hat mein Schutzgeist nicht gesagt, dass ich dem Mann mit den blauen Augen vertrauen soll? Warum sind wir in eine Falle gegangen, wenn wir nach dem Willen der Geister gelebt haben? Sag mir, was ich tun soll, Maheo!«
    Der Gott der Cheyenne antwortete nicht, und nicht einmal die Geister der vier Richtungen regten sich. Es war windstill. Die Sonne ging über den Felsen auf, und
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