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Das Lied der alten Steine

Das Lied der alten Steine

Titel: Das Lied der alten Steine
Autoren: Barbara Erskine
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wurden und ihr die Illusion gaben, ihr Leben sei sinnvoll.
    Seltsamerweise hatte sie seine gelegentlichen Seitensprünge toleriert, selbst verwundert, wie wenig sie ihr ausmachten. Sie hegte den leisen Verdacht, gestand es sich aber nie wirklich ein, dass sie ihn vielleicht doch nicht so sehr liebte, wie sie sollte.
    Das spielte keine Rolle. Es gab keinen anderen Mann, zu dem sie sich hingezogen fühlte. Manchmal fragte sie sich, ob sie vielleicht ein bisschen frigide war. Der Sex mit Felix machte ihr Spaß, aber sie vermisste ihn nicht, als er seltener und seltener wurde. Dennoch traf sie die Nachricht, dass seine neueste Freundin schwanger war, wie ein Schlag ins Gesicht. Der Damm, der so lange ihre Gefühle zurückgehalten hatte, brach und eine Welle aus Wut und Enttäuschung, Einsamkeit und Unglück stürzte über sie hinweg, die sie ebenso erschreckte wie sie ihren Mann schockierte. Er hatte diese Veränderung in seinem Leben nicht geplant. Und eigentlich hatte er so weitermachen wollen wie bisher, Shirley besuchen, sie unterstützen, und wenn die Zeit kam, für das Kind aufzukommen, wäre er ohne Zweifel großzügig, aber er würde sich nicht allzu sehr engagieren. Seine unmittelbare und echte Freude über das Baby hatte ihn ebenso durcheinandergebracht, wie sie Shirley gefreut und Anna vernichtet hatte. Nur wenige Tage nach der Entbindung war er zu Mutter und Kind gezogen und Anna hatte ihren Rechtsanwalt angerufen.
    Nach der einvernehmlichen Scheidung hatten sich Felix’
    Freunde ihr gegenüber erstaunlich loyal verhalten – vielleicht hatten sie erkannt, dass etwas Ungeplantes und Unerwartetes geschehen war, und es tat ihnen wirklich Leid, aber als einer nach dem anderen anrief, um ihr sein Beileid auszusprechen und dann in verlegenes Schweigen fiel, wurde ihr klar, dass sie sehr wenige eigene Freunde besaß, was das Gefühl der Einsamkeit noch verstärkte. Komischerweise rieten ihr alle, bevor sie auflegten, sie solle Urlaub machen.
    Und jetzt sagte Phyllis das Gleiche.
    »Du musst mit einem Urlaub anfangen, Anna, Liebes.
    Szenenwechsel. Neue Leute. Dann kannst du zurückkommen und dieses Haus verkaufen. Das war ja ein Gefängnis für dich.«
    »Aber Phyl…«

    »Nein, Anna. Widersprich nicht, meine Liebe. Na ja, was das Haus angeht, von mir aus, aber nicht in Bezug auf den Urlaub.
    Felix hat dich immer an all diese Orte mitgenommen, wo du bloß am Swimmingpool herumgelungert und ihm bei seinen Geschäftsgesprächen zugeschaut hast. Du musst wohin, wo es aufregend ist. Du musst nach Ägypten.«
    »Ägypten?« Anna bekam das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. »Warum Ägypten?«
    »Weil du als kleines Mädchen andauernd von Ägypten geredet hast. Du hattest Bücher darüber. Du hast Pyramiden und Kamele und Ibisse gemalt und jedes Mal, wenn wir uns trafen, hast du mich angebettelt, dir von Louisa zu erzählen.«
    Anna nickte. »Seltsam. Du hast Recht. Und ich habe jahrelang schon nicht mehr an sie gedacht.«
    »Dann wird es höchste Zeit! Man vergisst seine Kindheitsträume so leicht. Manchmal glaube ich, die Leute finden das ganz in Ordnung. Sie lassen alles zurück, was ihr Leben aufregend machen würde. Ich finde, du solltest hinfahren und die Orte ansehen, die Louisa besichtigt hat. Als vor zehn Jahren einige ihrer Skizzenbücher veröffentlicht wurden, hatte ich selbst nicht wenig Lust, dorthin zu reisen, weißt du? Ich hatte deinem Vater geholfen, die Bilder auszuwählen, und mit dem Herausgeber an den Bildunterschriften und den historischen Anmerkungen gearbeitet. Ich wollte es so gerne sehen. Und vielleicht werde ich das auch noch eines Tages.« Sie lächelte, ihre Augen strahlten munter und Anna dachte, dass sie die alte Dame durchaus für fähig hielt, eine solche Reise zu unternehmen.
    »Eine erstaunliche Frau, deine Ur-Urgroßmutter«, fuhr Phyllis fort. »Erstaunlich, tapfer und sehr begabt.«
    Wie du. Nicht wie ich. Anna biss sich auf die Lippen, statt dies laut zu sagen.
    Stirnrunzelnd dachte sie über Phyllis’ Worte nach, wobei ihr durchaus bewusst war, dass die alte Dame sie unverwandt musterte.
    »Nun?«
    Anna lächelte. »Der Versuchung kann man nur schwer widerstehen.«
    »Schwer widerstehen? Es ist eine fabelhafte Idee!«
    Anna nickte. »Ich habe sogar Felix ein-oder zweimal vorgeschlagen, nach Ägypten zu fahren, aber er hatte kein Interesse.« Sie hielt inne, denn sie fühlte tief in ihrem Innern so etwas wie Begeisterung. Schließlich, warum denn nicht? »Weißt
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