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Das Licht Von Atlantis

Das Licht Von Atlantis

Titel: Das Licht Von Atlantis
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Stufen.
    »Es war einmal ein Mann, der lebte ganz allein in einem Wald, und seine einzige Gesellschaft waren die Sterne und die hohen Bäume. Eines Tages fand er eine schöne Gazelle im Wald, und er lief zu ihr und versuchte die Arme um ihren schlanken Hals zu schlingen und so Trost in seiner Einsamkeit zu finden. Aber die Gazelle bekam Angst und lief fort und er fand sie nicht wieder. Nachdem er viele Monate lang gewandert war, fand er die Knospe einer lieblichen Blume. Inzwischen war er ein weiser Mann geworden, weil er so lange allein gewesen war. Deshalb störte er die Knospe nicht, sondern setzte sich viele Stunden zu ihr und beobachtete, wie sie sich öffnete und der Sonne entgegenreckte. Und als sie sich öffnete, wandte sie sich ihm zu, denn er war ganz leise und nahe bei ihr. Und als die Knospe offen war und zu duften begann, war sie eine schöne Passionsblume geworden, die niemals mehr verwelkte.«
    In Tirikis silbergrauen Augen stand ein leises Lächeln. »Ich habe diese Geschichte schon oft gehört, aber erst jetzt erkenne ich, was sie bedeutet.« Sie drückte seine Hand, stand auf und tanzte die Stufen hoch. »Komm«, rief sie fröhlich, »man wird schon auf uns warten - und ich habe meinem kleinen Bruder versprochen, ihm im Obstgarten Beeren zu pflücken!«

8. BESINNUNG
    Das Frühjahr kam, und Domaris konnte der Krankheit, gegen die sie so lange angekämpft hatte, nicht länger standhalten. Auf den Regen im Frühling folgte der Sommer mit seinem Blühen und Reifen, und während der ganzen Zeit lag sie in ihrem Zimmer, unfähig, vom Bett aufzustehen. Sie beklagte sich nicht und tat besorgte Frage leichthin ab; bestimmt werde sie im Herbst wieder gesund sein.
    Deoris wachte mit zärtlicher Fürsorge über sie, aber die Liebe zu ihrer Schwester machte sie blind, und sie sah nicht, was anderen nur zu klar war.
    Weder Deoris noch sonst jemand konnte Domaris helfen und so lag sie geduldig da, ohne Hoffnung auf Besserung, viele Tage und Nächte hindurch. Für eine Rettung war es seit langem zu spät.
    Erst jetzt erfuhr Deoris - denn Domaris war zu krank, als dass sie das Geheimnis länger hätte hüten können - wie grausam ihre Schwester von den Schwarzmänteln behandelt worden war. Ein Gefühl schwerer Schuld lastete nach dieser Entdeckung auf der jüngeren Schwester. Noch etwas anderes erfuhr Deoris. Sie hatte bis dahin nicht gewusst, dass Domaris bei jenem seltsamen, traumähnlichen Zwischenspiel, das für Deoris immer noch unter dunklen Schleiern verborgen lag und für sie nichts anderes war als der Alptraum vom Idiotendorf, von ihr schwer verletzt worden war. Was Domaris ihr nun endlich erzählte, erklärte nicht nur den Tod von Arvaths erstem Kind bei seiner Geburt. Deoris wurde außerdem deutlich, dass es an ein Wunder grenzte, dass Domaris Micon ein gesundes Kind geboren hatte...
    Fürst Mikantors sehnlichster Wunsch wurde ihm endlich erfüllt, und Micail zog in den Palast. Domaris vermisste ihren Sohn, aber sie wollte nicht, dass er sie leiden sähe. Im Gegensatz zu ihm ließ Tiriki nicht einfach über sich verfügen. Sie widersetzte sich Deoris und, zum erstenmal in ihrem Leben, auch Domaris. Die Kindheit lag nun völlig hinter ihr. Mit dreizehn war Tiriki größer als Deoris, wenn auch zart und schmächtig wie Demira. In ihren silbergrauen Augen und in den Zügen ihres schmalen Gesichts lag ein vorzeitiger Ernst. Auch darin glich sie Demira. Deoris war mit dreizehn noch sehr kindlich gewesen, und so erkannte keine der beiden Schwestern, dass Tiriki in demselben Alter bereits erwachsen war. Es kam ihnen nicht zu Bewusstsein, dass die Menschen aus Zaiadan einem schnelleren Reifeprozess unterlagen, und so nahmen sie Tiriki nicht ganz ernst.
    Jeder tat, war er konnte, um das Mädchen an den schlimmsten Tagen von Domaris fernzuhalten. Aber eines Abends, als Deoris, die nächtelang gewacht hatte, im Nebenzimmer erschöpft eingeschlummert war, schlüpfte Tiriki herein und sah Domaris still im Bett liegen, das Gesicht so weiß wie die weißen Locken, die sich in ihr immer noch leuchtendes Haar gemischt hatten.
    Tiriki schlich sich ans Bett und flüsterte: »Kiha -?«
    »Ja, Liebling«, antwortete Domaris schwach. »Nicht weinen.«
    »Ich weine nicht«, erklärte Tiriki und sah auf. In ihren Augen waren keine Tränen. »Kann ich denn gar nichts für dich tun, kiha Domaris? Du hast - starke Schmerzen, nicht wahr?«
    Domaris sah in die großen, ernsten Augen des Kindes und antwortete schlicht: »Ja.«
    »Ich
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