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Das Licht Von Atlantis

Das Licht Von Atlantis

Titel: Das Licht Von Atlantis
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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einzigen Szene eines niemals endenden Dramas zurückgezogen. Sie werden sich verwandeln - und an uns gebunden bleiben, und solange die Zeit besteht, wird auch dies Band bestehen. Das ist Karma.«
    Als Rajasta gegangen war, überließ sich Domaris träumerischen Gedanken, die in keinem Zusammenhang mit den Schmerzen und der Schwäche ihres verbrauchten Körpers standen. Micons Gesicht und Stimme waren ihr nahe, und sie spürte seine Hand auf ihrem Arm - nicht die leise, vorsichtige Berührung seiner verkrüppelten Hände, sondern einen kräftigen, energischen Griff um ihr Handgelenk. Domaris glaubte nicht, dass der Tod eine sofortige Wiedervereinigung mit sich brachte. Sie vertraute indes darauf, dass Micon und sie Bande der Liebe geknüpft hatten, die sie wieder zusammenführen würden, ein einziger leuchtender Strang in dem Gewebe der Dunkelheit, das sie miteinander verband. Sie mochten in vielen zukünftigen Leben getrennt bleiben, während andere Verbindungen eingegangen und Verpflichtungen erfüllt werden mussten, aber sie würden sich wiedersehen. Domaris bedauerte nur, dass sie in diesem Leben nicht mehr sehen würde, wie Micail zum Mann heranwuchs und welches Mädchen er eines Tages zur Frau erwählte.
    Dann erkannte sie mit der Klarheit einer Sterbenden, dass sie nicht darauf zu warten brauchte, die Mutter von Micails Kindern kennenzulernen. Sie hatte sie in ihrem einsamen Exil selbst aufgezogen, hatte das ungeborene Mädchen der Göttin angelobt, der sie alle dienten. Das fröhliche Lächeln von früher lag auf Domaris' Gesicht. Sie öffnete die Augen und sah Micon vor sich... Micon? Nein, das dunkle Gesicht war von Haaren gekrönt, die leuchteten wie einst ihre eigenen, und das Lächeln, das ihr antwortete, war jung und ebenso unsicher wie der Griff der mageren Jungenhand um ihre. Hinter ihm nahm sie für einen Augenblick Deoris wahr; nicht die gesetzte Priesterin, sondern das Kind mit den tanzenden, windzerzausten Locken, dies abwechselnd fröhliche und mürrische Kind, das in ihrer sonst sorgenfreien Mädchenzeit ihre einzige Sorge und gleichzeitig ihr Entzücken gewesen war. Auch Rajasta war da, sah bald gütig, bald streng aus, und neben ihm war das Lächeln Reio-tas.
    Alle sind sie meine Lieben , dachte sie und hätte es beinahe laut ausgesprochen, als sie plötzlich das helle Haar des kleinen saji -Mädchens, der Namenlosen, sah, die sich an jenem Tag im Grauen Tempel von Karahamas Seite weggestohlen hatte, um Domaris zu Deoris zu führen - aber darüber war die Zeit hinweggegangen. Es war das Gesicht Tirikis, gerötet vom Weinen, das aus dem Licht heranschwamm. Domaris Gesicht war ganz von einem heiteren Lächeln beseelt, das in jedes Herz hineinstrahlte.
    Micon flüsterte: »Herz der Flamme.« Oder war es Rajasta, der das alte Kosewort mit zitternder Stimme ausgesprochen hatte? Domaris erkannte keine Einzelheiten mehr, aber sie spürte, dass Deoris sich in dem trüben Licht über sie beugte. »Kleine Schwester«, hauchte Domaris - »Nein, du bist nicht mehr klein...«
    »Du siehst - so glücklich aus, Domaris«, wunderte sich Deoris.
    »Ich bin auch sehr glücklich«, antwortete sie, und in ihren glänzenden Augen spiegelten sich alle ihre Gesichter wider. Eine Sorge, die halb Schmerz war, verdunkelte für einen Augenblick die helle Freude. Sie bewegte sich und stöhnte: » Micon!«
    Micail umfasste fest ihre Hand. »Domaris!«
    Von neuem öffneten sich ihre Augen, jetzt strahlten sie vor Freude. »Sohn der Sonne«, sagte sie ganz deutlich. »Nun - beginnt alles von neuem.« Sie legte ihr Gesicht aufs Kissen und schlief ein, und in ihren Träumen saß sie wieder im Gras unter dem alten, schattenspendenden Baum des Tempelgartens ihrer Heimat, während Micon sie umschlungen hielt und ihr leise etwas ins Ohr sagte...
     
    Domaris starb kurz vor dem Morgengrauen, ohne noch einmal aufzuwachen. Als die Vögel vor ihrem Fenster zirpten, bewegte sie sich ein bisschen, hauchte: »Wie ruhig der Teich heute ist -« und dann fielen ihre Hände leblos über den Bettrand.
    Während Micail und Tiriki sich hilfesuchend in den Armen lagen und schluchzten, trat Deoris auf den Balkon, wo sie lange Zeit bewegungslos stand und in die Graue von Meer und Himmel hinaussah. Ihr kamen keine klaren Gedanken, sie empfand nicht einmal Verlust oder Leid. Dass Domaris sterben musste, war ihr seit Monaten bewusst, und dies war nur das lange erwartete Ende. Domaris für immer tot? Unmöglich! Der erschöpfte, Schmerzen leidende
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