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Das Licht Von Atlantis

Das Licht Von Atlantis

Titel: Das Licht Von Atlantis
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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das schwöre ich dir. Aber solange ich lebe, wird er mich nicht wieder verlassen. Solange ich lebe«, wiederholte sie. »Es wird nicht mehr lange dauern. Lasst ihn mir - bis dahin.«
    Dies Gespräch wurde mit wenigen Variationen alle paar Monate geführt. Endlich neigte der alte Fürst das Haupt vor der Initiierten und verzichtete in Zukunft darauf, sie zu bedrängen. Seine regelmäßigen Besuche setzte er jedoch fort; sie wurden sogar immer häufiger.
    Domaris kam seinen Wünschen entgegen, indem sie ihrem Sohn erlaubte, einen großen Teil seiner Zeit mit Reio-ta zu verbringen. Das befriedigte alle Beteiligten, denn die beiden wurden schnell enge Freunde. Reio-ta empfand tiefe Zuneigung für den Sohn seines älteren Bruders, den er verehrt und verraten hatte - und Micail freute sich über die Freundlichkeit und Herzlichkeit des jungen Prinzen. Anfangs war er steif und unfreundlich gewesen und hatte Schwierigkeiten gehabt, sich einem Leben anzupassen, das von keinen Vorschriften eingeengt wurde. Rajasta hatte ihn nämlich von seinem dritten Jahr an in der strengen Disziplin der höchsten Ränge innerhalb der Priesterkaste unterwiesen. Doch schließlich verschwanden seine Scheu und Verschlossenheit, und Micail entwickelte nach und nach den offenherzigen Charme und die Heiterkeit, die Micon so liebenswert gemacht hatten.
    Dazu trug Tiriki vielleicht noch mehr bei als Reio-ta. Vom ersten Tag an hatte zwischen ihnen eine Freundschaft bestanden, die bald zur Liebe heranreifte. Es war eine geschwisterliche und unsentimentale Zuneigung, aufrichtig und tief. Sie stritten sich oft, denn sie waren sich sehr unähnlich: Micail - beherrscht, von ruhigem Wesen, stolz und reserviert - neigte dazu, verschlossen und spöttisch zu sein. Dagegen war Tiriki bei aller Wohlerzogenheit von heftigem Temperament und so unruhig wie Quecksilber.
    Aber solche Streitereien waren nichts weiter als kurze Ausbrüche und Tiriki bereute ihre Hastigkeit immer als erste. Dann umarmte sie Micail und bat ihn unter Küssen, ihr wieder gut zu sein. Und Micail zog sie an ihrem langen offenen Haar, das zu fein und zu glatt war, um länger als ein paar Minuten eingeflochten zu bleiben, und neckte sie, bis sie um Gnade bat.
    Deoris freute sich über diese enge Freundschaft, und Reio-ta war ganz entzückt darüber. Beide vermuteten jedoch, dass Domaris nicht ganz damit einverstanden war. In letzter Zeit huschte nämlich ein seltsamer Ausdruck über ihr Gesicht, wenn sie Tiriki ansah. Sie spitzte die Lippen, runzelte leicht die Stirn, rief danach Tiriki zu sich, um sie zu umarmen, als wolle sie ihr einen unausgesprochenen Vorwurf abbitten.
    Tiriki war noch keine dreizehn, und war doch schon sehr fraulich. Es war, als gäre in ihr etwas wie Hefe und sie warte nur darauf, zur vollständigen Reife erweckt zu werden. Sie war ein elfenhaftes, bezauberndes Geschöpf - und Micail merkte nur zu bald, dass es zwischen ihnen nicht mehr lange so bleiben konnte, wie es war, denn seine kleine Cousine faszinierte ihn zu sehr.
    Doch Tiriki hatte die impulsive Unschuld eines Kindes, und eines Tages, auf einem einsamen Spaziergang am Strand, berührten sie sich, gaben sich einen spielerischen Kuss - und dann standen sie plötzlich fest umschlungen da und bewegten sich nicht, weil sie fürchteten, dieser wunderschöne Augenblick könnte enden. Schließlich gab Micail das Mädchen sehr behutsam frei und schob es von sich. »Eilantha«, flüsterte er ganz leise - und Tiriki verstand, warum er ihren Tempelnamen ausgesprochen hatte, schlug die Augen nieder und machte keinen Versuch mehr, ihn zu berühren. Ihr Begreifen war für Micail die endgültige Bestätigung, dass er sich in ihr nicht getäuscht hatte. Er lächelte, bestärkt von einem neuen Verantwortungsgefühl, und fasste sie bei der Hand.
    »Komm, wir müssen in den Tempel zurückkehren.«
    »Oh, Micail!« protestierte das Mädchen, »jetzt, wo wir uns gefunden haben - müssen wir uns da so schnell wieder verlieren? Willst du mich nicht einmal mehr küssen?«
    »Noch oft, hoffe ich«, sagte er. »Aber nicht hier und jetzt. Du bist mir zu kostbar. Und du bist noch sehr jung, Tiriki, ebenso wie ich. Komm.« Seine Autorität war von neuem wie die eines älteren Bruders, und als sie den langen Weg durch die Gartenterrassen zum Tempeltor hochstiegen, wandte er sich ihr mit einem schnellen Lächeln zu.
    »Ich will dir eine Geschichte erzählen«, schlug er vor, und sie setzten sich zusammen auf die in den Fels gehauenen
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