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Das Licht des Nordens

Das Licht des Nordens

Titel: Das Licht des Nordens
Autoren: Jennifer Donnelly
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hinter Mrs. Morrisons Rücken. »Fünfundachtzig Leute zum Abendessen, davon fünfzig zur gleichen Zeit und ein spezielles Geburtstagsessen für zwölf. und jetzt soll ich auch noch die Krankenpflegerin spielen …«
    Eigentlich sollten siebenundachtzig zum Abendessen kommen.
Siebenundachtzig,
nicht fünfundachtzig. Zwei Gäste waren nicht erschienen – Zimmer zweiundvierzig und vierundvierzig. Carl Grahm und Grace Brown. Sie hatten Tisch neun. Ich hatte für sie gedeckt, aber es war schon acht, und sie waren immer noch nicht vom See zurück.
    Ich hatte sie bereits beim Mittagessen bedient. Sie hatten Suppe und Sandwiches bestellt und während des ganzen Essens gestritten.
    Â». und gleich neben dem Hotel in Utica gab es eine Kirche«, sagte Grace Brown. »Wir hätten hineingehen und es dort machen können.«
    Â»Wir können es hier oben tun, Billy. Wir fragen, ob es eine Kapelle gibt«, antwortete Carl Grahm.
    Â»Heute, Chester. Bitte. Du hast es versprochen. Ich kann nicht mehr warten. Das kannst du nicht von mir erwarten.«
    Â»Also gut, reg dich nicht so auf. Laß uns erst eine Bootsfahrt machen, einverstanden? Es ist so ein schöner Tag. Gleich danach erkundigen wir uns nach einer Kapelle.«
    Â»Chester, nein! Ich will keine Bootsfahrt machen!«
    Ich ging noch ein paarmal zu ihrem Tisch, um nachzusehen, ob sie noch etwas brauchten. Der Mann aß seinen ganzen Lunch auf, dann die Suppe, die das Mädchen nicht angerührt hatte, dann bat er um einen Nachtisch. Er wies mich an, das Essen auf die Zimmerrechnung zu setzen. »Grahm«, sagte er. »Carl Grahm. Zimmer zweiundvierzig.« Den Namen hatte ich zuvor schon von Mrs. Morrison gehört. Sie hatte mir gesagt, daß ein Paar, ein Mr. Grahm und eine Miss Brown, ohne Reservierung angekommen seien, die sie im obersten Stockwerk untergebracht habe, und daß ich am Abend ihre Betten aufschlagen müsse.
    Ich räumte ihr Geschirr ab, als sie fertig waren. Und später sah ich dann Grace auf der Veranda, wo sie mir die Briefe gab, die ich unter meine Matratze steckte. Danach hatte ich die beiden vollkommen vergessen. weil mich die Köchin den ganzen Nachmittag mit Kartoffelschälen beschäftigte.
    Erst beim Servieren des Abendessens, als ich sah. daß ihr Tisch leer war, dachte ich wieder an sie, und von dem Moment an gingen sie mir nicht mehr aus dem Kopf.
    Â»Mattie! Das Wasser kocht!« rief die Köchin. »Mach das Tablett für Zimmer zwölf fertig.«
    Ich nahm eine Kanne, gab Teeblätter hinein und achtete darauf, ihr nicht in die Quere zu kommen.
    Dann nahm ich den Kessel von der Flamme und goß Wasser dazu. Im selben Moment kam Mr. Morrison in die Küche, um sich eine Tasse Kaffee zu holen.
    Â»Ich hab dich nicht beim Abendessen gesehen. Andy«, sagte die Köchin. »Geht’s dir nicht gut?«
    Â»Hab’s verpaßt. Mußte die ganze Zeit auf zwei verdammte Narren warten, die mein Boot zurückbringen sollten.«
    Die Köchin schnaubte. »Was für Narren denn? Das ganze Glenmore ist voll davon.«
    Â»Grahm. Zimmer zweiundvierzig. Mit einer Frau. Hat sich gleich nach dem Mittagessen ein Boot genommen und ist bis jetzt noch nicht zurückgekommen.«
    Ich ließ die Kanne fallen. Sie zerbrach. Überall spritzte kochendheißes Wasser herum.
    Â»Jetzt sieh dir an, was du getan hast!« kreischte die Köchin und schlug mir mit dem Kochlöffel aufs Hinterteil. »Was ist denn bloß in dich gefahren? Räum sofort die Scherben weg!«
    Ich dachte an mein Wort des Tages,
luziferisch.
als ich die zerbrochenen Teile der Kanne aufhob. Es bedeutet eigentlich Licht bringen, und ist auch in dem Namen Luzifer enthalten. Dank meines guten Freunds John Milton wußte ich alles über Luzifer. Luzifer war ein schöner Engel, den Gott aus dem Himmel vertrieb, weil er sich aufgelehnt hatte. Er wurde in die Hölle verbannt, doch statt Reue zu empfinden, weil er Gott erzürnt hatte, und statt zu versuchen, seine Untat zu sühnen, machte er sich erneut an sein böses Werk. Er ging in den Garten Eden und redete Eva ein, vom Baum der Erkenntnis zu essen. wofür die ganze Menschheit aus dem Paradies vertrieben wurde.
    Das war eine schlimme Tat, für die man ihn nicht zu bewundern braucht, aber im Moment verstand ich, warum er sie begangen hatte. Er tat mir sogar ein bißchen leid. Wahrscheinlich wollte er nur ein wenig
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