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Das Licht der Flüsse

Das Licht der Flüsse

Titel: Das Licht der Flüsse
Autoren: Aufbau
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kleine helle Kette, die am Grund des Kanals lag, über den Bug und ließ
     sie übers Heck wieder zurück ins Wasser, um sich so Glied für Glied mitsamt seinem ganzen Gefolge aus Lastkähnen voranzuziehen.
     Bis man des Rätsels Lösung gefunden hatte, haftete dem Vorankommen dieser Züge etwas Düsteres und Unheilvolles an, sie glitten
     sanft über das Wasser, und nichts markierte ihre Wege als eine kleine Welle, die im Kielwasser verebbte.
    Unter all den Geschöpfen der Handelsunternehmen bietet ein Kanalboot bei weitem den herrlichsten Anblick. Es kann seine Segel
     setzen, und dann sieht man es hoch über den Baumwipfeln und der Windmühle, auf dem Aquädukt, durch grüne Kornfelder dahingleiten:
     das malerischste aller amphibischen Kreaturen. Das Pferd trottet auf dem Treidelpfad vor sich hin, als gäbe es auf der Welt
     keine Arbeitszwänge, und der träumende Mann an der Ruderpinne sieht den ganzen Tag lang demselben Turm am Horizont entgegen.
     Es ist unbegreiflich, wie Dinge bei diesem Tempo ihr Ziel erreichen, und wenn man beobachtet, wie die Kähne an der Schleuse
     auf die Abfertigung warten, erhält man eine schöne Lektion, wie unbeschwert die Welt erlebt werden könnte. An Bord gibt es
     wohl zahlreiche zufriedene Seelen, denn solch ein Leben bedeutet gleichzeitig reisen und zu Hause bleiben.
    Der Schornsteinrauch kündet vom Abendessen, während man weiterzieht; die Kanalufer entrollen gemächlich ihre Landschaft vor
     nachdenklichen Augen; der Lastkahn treibt vorbei an großen Wäldern und durch große Städte mit ihren öffentlichen Gebäuden
     und nächtlichen Straßenlaternen; und für den Kahnführer in seinem dahingleitenden Heim, der sozusagen im Schlafwaggon reist,
     ist es fast, als lausche er der Geschichte eines anderen oder durchblättere ein Bilderbuch, das ihn nicht weiter interessiert.
     Er kann seinen Nachmittagsspaziergang in einem fremden Land am Kanalufer machen und dann zum Essen an seinen eigenen Herd
     zurückkehren.
    In solch einem Leben gibt es zu wenig Bewegung, um ein hohes Maß an Gesundheit zu erreichen, aber ein hohes Maß an Gesundheit
     ist nur für ungesunde Leute notwendig. Der Faulpelz, der nie krank oder gesund ist, hat ein ruhiges Leben und stirbt umso
     leichter.
    Viel lieber wäre ich ein Kahnführer, als eine der Stellungen auf Erden zu besetzen, die Büroarbeit erfordern. Meiner Meinung
     nach gibt es nicht viele Berufe, in denen ein Mann für regelmäßige Mahlzeiten weniger Freiheit aufgibt. Der Kahnführer ist
     an Bord eines Schiffes – er ist der Herr seines eigenen Schiffs – er kann anlegen, wo immer er will – niemand kann ihn zwingen,
     in einer eiskalten Nacht vor der Küste zu kreuzen, wenn die Segel so hart wie Eisen sind; soweit ich es beurteilen kann, steht
     für ihn die Zeit fast immer still, außer wenn er wieder mal zu Bett geht oder sich am Mittagstisch niederlässt. Man kann kaum
     begreifen, warum ein Kahnführer je sterben sollte.
    Auf halbem Weg zwischen Willebroek und Vilvoorde, aufeinem schönen Kanalabschnitt, der der Allee zu einem Herrenhaus glich, gingen wir zum Essen an Land. Es gab zwei Eier, einen
     Laib Brot und eine Flasche Wein an Bord der
Arethusa
und zwei Eier sowie einen Ätna-Spirituskocher an Bord der
Cigarette
. Der Kapitän des letztgenannten Boots zerbrach eines der Eier beim Entladen, doch stellte er hocherfreut fest, dass man es
     noch
à la papier
kochen könnte, und warf es mitsamt seiner Hülle aus flämischem Zeitungspapier in den Kocher. Wir landeten in einem Augenblick
     schönen Wetters, doch keine zwei Minuten später frischte der Wind zu halber Sturmstärke auf, und der Regen begann uns auf
     die Schultern zu prasseln. Wir setzten uns so nah wie möglich an den Kocher. Der Spiritus brannte in voller Pracht. Alle ein
     bis zwei Minuten fing das Gras Feuer und musste ausgetreten werden, und es dauerte nicht lange, bis unsere Gesellschaft etliche
     verbrannte Finger vorzuweisen hatte. Doch der Ertrag der Kochbemühungen stand in keinem Verhältnis zu all dem Aufwand, und
     als wir nach zwei Runden auf dem Feuer aufgaben, war das eine Ei wenig mehr als lauwarm, während das Ei
à la papier
ein kaltes und schmutziges
fricassée
aus Druckerschwärze und zerbrochenen Eierschalen darstellte. Zur Abwechslung versuchten wir, zwei weitere Eier zu braten,
     indem wir sie dicht über die Flammen hielten, und hatten damit größeren Erfolg. Dann entkorkten wir die Weinflasche und setzten
     uns in einen Graben mit
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