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Das Licht der Flüsse

Das Licht der Flüsse

Titel: Das Licht der Flüsse
Autoren: Aufbau
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war. Ein Tier mit weißem Kopf und
     schwarz glänzendem Körper kam zum Trinken ans Ufer und drehte mir, als ich vorüberfuhr, feierlich die Ohren zu, fast wie ein
     lächerlicher Kirchenmann in einem Theaterstück. Kurz darauf hörte ich ein lautes Platschen, und als ich mich umdrehte, sah
     ich den Kirchenmann ans Ufer strampeln. Der Damm hatte unter seinen Hufen nachgegeben.
    Neben dem Vieh sahen wir keine lebenden Wesen außer ein paar Vögeln und jede Menge Fischer. Sie saßen entlang der Wiesenränder,
     manchmal mit einer, manchmal mit bis zu zehn Angelruten. Sie schienen vor lauter Zufriedenheit wie betäubt; und wenn wir sie
     dazu brachten, ein paar Worte mit uns über das Wetter zu wechseln, klangen ihre Stimmen leise und weit entfernt. Unter ihnen
     kursierte eine befremdliche Vielzahl unterschiedlicher Meinungen über die Fischsorten, nach denen sie ihre Köder ausgeworfen
     hatten, obwohl sie alle darin übereinstimmten, dass die Bestände des Flusses überaus reich waren. Es war offensichtlich, dass
     nicht zwei von ihnen je dieselbe Sorte Fisch gefangen hatten, und wir konnten nicht umhin, den Verdacht zu hegen, dass womöglich
     keinem von ihnen jemals ein Fang gelungen war. Weil der Nachmittag so schön war, hoffe ich allerdings, dass sie alle miteinander
     belohnt wurden und dass aus jedem Korb ein silbriger Fang zu Hause in den Kochtopf wanderte. Einige meiner Freunde würden
     mir diesen Wunsch übelnehmen, doch mir ist ein Mensch, auch wenn es sich nur um einen Angler handelt, lieber als das tapferste
     Kiemenpaar in allen Gewässern Gottes. Ich habe keine besondereVorliebe für Fische, es sei denn, sie werden in Soße serviert. Ein Angler hingegen ist ein wichtiger Bestandteil einer Flusslandschaft
     und verdient daher die Anerkennung aller Kanufahrer. Er kann stets auf ruhige Art erzählen, wo man sich befindet, und seine
     friedliche Gegenwart betont die Einsamkeit und die Stille und erinnert an die glitzernden Wasserbewohner unter dem Boot.
    Die Sambre schlängelte sich so eifrig um die kleinen Hügel, dass es bereits nach sechs war, als wir der Schleuse bei Quartes
     näher kamen. Auf dem Treidelpfad liefen einige Kinder neben uns her, mit denen der Kapitän der
Cigarette
ein paar Neckereien tauschte. Ich warnte ihn vergeblich. Vergeblich sagte ich ihm auf Englisch, dass Knaben die gefährlichsten
     Kreaturen seien und dass, wenn man sich einmal mit ihnen eingelassen habe, es garantiert mit einem Steinhagel ende. Wann immer
     sie mich ansprachen, lächelte ich sanft und schüttelte den Kopf, als sei ich eine harmlose Person mit unzureichenden Französischkenntnissen.
     Denn ich hatte zu Hause tatsächlich die Erfahrung gemacht, dass ich lieber einer Schar wilder Tiere begegnen würde als einer
     Bande munterer Bengel.
    Doch ich war zu diesen friedlichen Hennegauern ungerecht. Während der Kapitän der
Cigarette
fortging, um Erkundigungen einzuholen, ließ ich mich auf dem Damm nieder, um eine Pfeife zu rauchen und auf die Boote aufzupassen,
     und war bald der Mittelpunkt sympathischer Neugier. Inzwischen hatten sich eine junge Frau und ein sanftmütiger Bursche, der
     einen Arm verloren hatte, zu den Kindern gesellt, was mir Sicherheit gab. Als ich mein erstes französisches Wort über die
     Lippen brachte, nickte einkleines Mädchen auf komische, altkluge Weise mit dem Kopf. »Ah, da seht ihr’s«, sagte sie. »Jetzt versteht er uns doch. Er
     hat nur so getan.« Und die kleine Versammlung lachte gutmütig.
    Sie waren sehr beeindruckt, als sie hörten, dass wir aus England kamen, und das kleine Mädchen lieferte die Information, England
     sei eine Insel »und sehr weit weg –
bien loin d’ici «
.
    »Ja, das kann man wohl sagen, sehr weit weg«, sagte der einarmige Bursche.
    Mein Heimweh wurde groß, vielleicht größer als je zuvor in meinem Leben. Aus ihrer Sicht schien der Ort, an dem ich das Licht
     der Welt erblickt hatte, unermesslich weit fort zu sein. Sie bewunderten die Kanus ausgiebig. Und ich beobachtete an den Kindern
     eine bemerkenswerte Art von Schüchternheit. Während der letzten hundert Meter hatten sie uns immer wieder lautstark gebeten,
     in unseren Booten mitfahren zu dürfen; ja, und am nächsten Morgen, bevor wir aufbrachen, hörten wir dasselbe Lied. Doch dann,
     als die Kanus fertig vor uns lagen, war die Bitte vergessen. Schüchternheit? Oder vielleicht ein wenig Angst vor dem Wasser
     in so einem winzigen Gefährt? Ich hasse Zynismus noch viel mehr als den
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