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Das Lexikon der daemlichsten Erfindungen

Das Lexikon der daemlichsten Erfindungen

Titel: Das Lexikon der daemlichsten Erfindungen
Autoren: Felix R. Paturi
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zumindest etwas Gutes: Lachen ist gesund.

Weltmaschine
    Der oststeirische Bauer Franz Gsellmann besuchte 1958 die Weltausstellung in Brüssel und sah dort das Atomium, das 102 Meter hohe Riesenmodell einer Eisenkristallstruktur. Dieses architektonische Monstrum erschütterte den tief religiösen Mann bis in sein Innerstes, denn er sah darin ein greifbar gewordenes Schöpfungsprinzip. Er fiel augenblicklich in einen tranceartigen Tagtraum, in dem ihm der überirdische Auftrag zuteil wurde, eine Art heilige Maschine zu bauen: » Wie ich das Atomium gesehen habe, habe ich im Traum meine fertige Maschine gesehen. Das Atomium war das Fundament für meine Weltmaschine«, kommentierte Gsellmann selbst später seine Erscheinung.
    Heimgekehrt in sein Dorf Kaag bei Feldbach, machte er sich sofort an die Arbeit, und die sollte ihn fortan 23 Jahre lang intensiv in jeder freien Stunde beschäftigen. Eine Atmosphäre des Geheimnisvollen umgab den schlichten Landwirt und seine Werkstatt während dieser einsamen Schaffensperiode. Er arbeitete hinter verschlossenen Türen, und nicht einmal seine Familie durfte sehen, was für eine technische Monstrosität da entstand. In der Gemeinde galt er schon lange als Sonderling, als Spinner. Die ländliche Bevölkerung schüttelte den Kopf, wenn man ihn wieder einmal mit einer Schubkarre oder gar einem Ochsenkarren voller Gerümpel vom Flohmarkt oder vom Schrottplatz heimkommen sah. Er schien alles zu sammeln, was niemand mehr brauchen konnte: einen alten Christbaumständer, eine Spielzeugraumkapsel inklusive vier Astronautenpüppchen, eine Trockenhaube, fünf Kruzifixe und ebenso viele ausgediente Zündkerzen, einen kitschigen Porzellanadler, 20 Keilriemen und 25 Elektromotoren, eine gläserne Marienstatue, rote Plastikrosen, etliche Hula-Hoop-Reifen, 200 Glühbirnen, sieben Lichtmaschinen, 64 Vogelpfeifen und Hunderte anderer Abstrusitäten.
    Der österreichische Lyriker Alfred Kolleritsch, der ihn einmal besuchte, fragte ihn, warum er etwas so Geheimes baue. »Gott hat mir die Gabe gegeben«, hatte der alte Bauer darauf geantwortet, und Kolleritsch gewann den Eindruck, er wolle durch seine Arbeit wie durch ein Gebet den Herrn im Himmel preisen. Vielleicht entsprach das Merkwürdige, das da entstand, Gsellmanns ganz persönlicher Auffassung von einem Altar.
    Franz Gsellmanns Weltmaschine ist nicht nur sehr farbenfroh, sondern im Betrieb auch reichlich laut.
    1981 war das Ding per Definition seines Erbauers fertig: eine verrückte Maschine von vier Metern Länge, zwei Metern Breiteund vier Metern Höhe. Schon 1968 hatte ihr Erbauer einmal versucht, sie ans Stromnetz anzuschließen. Dabei war es nicht nur in seiner Kammer zum Kurzschluss gekommen, Gsellmann hatte das gesamte Stromnetz des Dorfes lahmgelegt. »Ein Zufallsgenerator, der Selbstmord begangen hat«, spottete damals der österreichische Schriftsteller Gerhard Roth. Seit 1981 funktioniert das nutzlose Wunderding dann aber so, wie es wahrscheinlich sollte: Es rattert, quietscht, summt und knärzt; Hunderte Lämpchen blinken ohne erkennbaren Takt und Plan; bunte Räder und Reifen unterschiedlichster Größe drehen sich; irgendwo in dem Gewusel leidet ein kitschiger Christus an einem maroden Kreuz; und im Zentrum von alledem rotiert mit hoher Geschwindigkeit ein kleines Modell des Brüsseler Atomiums. Drei Polizeiblaulichter erregen Aufsehen, ein Orgelgebläse bläst, und aus einer Sauerstoffflasche strömt Gas, das einen Klapotetz ( →   Klapotetz ) antreibt.
    Weltmaschine taufte es mangels eines anderen Namens der steirische Landeshauptmann. Irgendeinen Zweck erfüllt diese technische Monstrosität nicht. Nur ihr Erbauer war davon überzeugt, dass sie einen tiefen Sinn hat. »Die Maschine lebt«, betonte er, und er glaubte fest daran, dass dieses Leben nicht nur Bewegung ist, sondern Eigenleben. Vielleicht, so meinte er, wird sie eines Tages von sich aus irgendetwas hervorbringen, wie ein Huhn, das über Nacht ein Ei legt. Gsellmann war ein glücklicher Mensch mit einem erfüllten Leben. Kurz nachdem er sein Meisterwerk geschaffen hatte, starb er. Und ja, seine Maschine hat inzwischen etwas Nützliches hervorgebracht. Wie das ebenso unnütze Schloss Neuschwanstein König Ludwigs II . von Bayern verdient sie heute Geld. Sie steht in einem Privatmuseum der Familie und zieht Jahr für Jahr rund 10   000 Besucher an.

Z
    Zorbing
    Ob Zorbing nun blöde ist oder nicht, mag dahingestellt bleiben. Sinnfrei ist es allemal, und Spaß kann
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