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Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition)

Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition)

Titel: Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition)
Autoren: Linus Reichlin
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das trotz seiner Erfahrung mit steinigen Pfaden passierte, war ein Zeichen: Die Steine murrten, es passte ihnen nicht, dass er fortging. Martens spürte in seinem Rücken die Blicke der Männer, aber er drehte sich nicht um. Er verbot es sich.
    Nur Pason war jetzt noch da. Sie führte Miriam und ihn über das Geröllfeld hinunter zum Pfad. Auf dem Pfad ging Pason hinter ihnen, mit geschultertem Gewehr als Bewacher.
    Miriam ging vor Martens, und nach langem Schweigen sagte sie, wir kommen bald zu einer Straße. Dort wartet ein Fahrer auf uns. Er wird uns nach Feyzabad bringen.
    Ja, sagte Martens.
    Miriam blieb stehen und drehte sich zu ihm um.
    Du hast so viel für mich getan, sagte sie, das werde ich dir nie vergessen.
    Danke, sagte er.
    Wir werden das schon schaffen, sagte Miriam. Er wusste nicht, was sie damit meinte.
    Please go, sagte Pason, und sie gingen weiter. Pasons Stimme, diese Aufwärtsbiegungen am Ende eines Satzes, Pason machte aus jedem Satz eine Frage. Sie wusch sich vor den Gebeten die Zähne mit dem kleinen Finger und spuckte das Wasser anders aus als die Männer, scheuer. Sie spuckte es auch anders aus als Khyber. Khyber wollte ein Mann sein, er spuckte das Wasser männlich aus, mit viel Lärm, damit alle es hörten. Nur schon an der Art, wie Pason das Wasser ausspuckte, hätten die Männer es doch merken müssen.
    Willst du nicht mit uns kommen?, fragte Martens. Vielleicht war sie ja jetzt zu einem Gespräch mit ihm bereit, auf diesem Pfad, außer Hörweite von Omar und den anderen. Und sie weiß, dass ich gehe und nie wiederkomme, dachte er.
    I don’t understand this, sagte sie.
    Doch, du verstehst es, sagte er. Wenn du willst, kannst du mit uns kommen. Wir bringen dich an einen sicheren Ort. In das deutsche Camp in Feyzabad. Dort bist du sicher. Omar und Dilawar können dir dort nichts tun.
    Du gehst dorthin, sagte Pason. Ich nicht. Ich bringe dich zur Straße.
    Irgendwann werden sie es merken, sagte Martens. Sie werden merken, dass du ein Mädchen bist. Und du kennst sie. Du weißt, wie sie sind.
    Du kannst mir keine Angst machen, sagte Pason. Dilawar ist gut zu mir. Er beschützt mich. Geh jetzt schneller! You laugh like a hyena but you move like a lame donkey!
    Laugh like a hyena?, sagte Martens. I don’t understand this.
    Gackern, sagte Pason, wie ein Huhn. Sie ahmte das Gackern nach.
    Ich gackere wie ein Huhn, fragte er, aber ich laufe wie ein lahmer Esel?
    Ja!, sagte Pason.
    Du sprichst besser Englisch als der amerikanische Präsident, sagte Martens.
    Beeil dich, geh zu!, sagte Pason.
    Du sagst, dass Dilawar dich beschützt. Weiß er, dass du ein Mädchen bist?
    Er weiß es, sagte Pason.
    Und Omar?, fragte Martens. Weiß er es auch?
    Ich weiß nicht, sagte Pason. Ich glaube nicht. Aber ich habe keine Angst vor Omar. Er kann mir nichts tun, Dilawar beschützt mich. Omar weiß, dass Dilawar ihn tötet, wenn er mir etwas antut.
    Der Pfad, die Steine, die kalte Sonne, kullernde Steine, losgetreten von den Schritten, sie hüpften den Abhang hinunter, dort war schon ein Zipfel der Straße zu sehen.
    Miriam sagte, versprich ihr nichts, das du nicht halten kannst.
    Das ist meine Sache, sagte Martens.
    Miriam drehte sich weg und ging weiter.
    Du weißt, dass Dilawar krank ist, sagte Martens zu Pason.
    Es ist nur ein Husten, sagte sie. Wenn der Husten vorbei ist, ist er wieder gesund. Er hat diesen Husten schon immer gehabt, schon früher. Er hat es mir selbst gesagt.
    Er hat ihn nicht schon immer gehabt, sagte Martens. Er ist krank, und wenn er nicht zu einem Arzt geht, stirbt er vielleicht. Dann ist niemand mehr da, der dich beschützt. Und du kennst Omar, Malalai. So heißt du, das ist dein Name. Du heißt Malalai, und wenn Dilawar dich nicht mehr beschützen kann, bist du in großer Gefahr. Wenn Omar erfährt, dass du ein Mädchen bist, wird er dich töten.
    You shut up!, rief Malalai. Sie lud ihr Gewehr durch und rammte Martens die Mündung in die Brust. You shut up now!
    Wohin hätte sie auch gehen sollen, was kannst du ihr anbieten? Versprich ihr nichts, das du nicht halten kannst. Lass sie in diesen Bergen zurück, zusammen mit deinen Fähigkeiten. Aus diesen Bergen kehrt jeder mit leeren Händen zurück. Nein, das stimmt nicht ganz: Die Hände werden erst leer, wenn man die Berge verlässt. Man kann das, was darin war, nicht aus diesen Bergen hinaustragen.
    Verrat
    Während der ganzen Fahrt zurück nach Feyzabad schlief Martens, und wenn er manchmal kurz erwachte, dann nur, um in einem
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