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Das Leuchten der Insel

Das Leuchten der Insel

Titel: Das Leuchten der Insel
Autoren: Kathleen McCleary
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entlangzustreichen, wie sie es damals getan hatte, um den wunderbar warmen Geruch ihres Halses einzuatmen. Dies ist jenes Kind. Sie ist noch immer irgendwo hier. Und in genau dem Augenblick, in dem sie sich wie gebannt vorbeugte, schnellte Katie hoch und sagte:
    »Mein Gott, Mom! Wie wäre es mit ein wenig persönlichem Freiraum?«
    »Katie …«, setzte Susannah an.
    »Ich bin hier«, antwortete Katie. »Aber ich will nicht hier sein, und ich werde nicht mit dir und Quinn an Deck gehen und irgendeinen Freudentanz über die Bäume und die Adler aufführen. Kannst du mich erst einmal einfach in Ruhe lassen?«
    »Katie! Nun komm schon. Es ist ein Abenteuer.«
    Katie drehte ihren Kopf zu ihrer Mutter um und sah sie ruhig an. »Loszuziehen, um auf einer Insel ohne Elektrizität zu leben, ist kein Abenteuer. Das ist verrückt.«
    »Es ist etwas anderes. Es ist eine Veränderung. Es ist eine Chance, aus dem Trott herauszukommen, in dem wir gesteckt haben.«
    »Ich habe in keinem Trott gesteckt.«
    Susannahs Magen krampfte sich in einer vertrauten Angst zusammen. Ihr geht es gut , sagte sie sich. Sie ist jetzt in Sicherheit. » Trott ist eine freundliche Umschreibung dafür«, sagte sie laut.
    »Freundlich?«, fragte Katie. »Warum? Weil es in Wirklichkeit eine ›totale Katastrophe‹ oder so was war?«
    »Nein«, antwortete Susannah. »Es besteht kein Grund, das melodramatisch zu überhöhen.«
    »Ganz genau!«, gab Katie zurück. »Schließlich ist es nicht weiter melodramatisch, wenn man mich aus der Schule reißt und mich auf eine Insel bringt. Völlig normal, so was.«
    Katie hatte nicht ganz Unrecht, auch wenn sie zu jung – und zu furchtlos – war, um das große Ganze zu verstehen und zu begreifen, wie schnell und leicht sich etwas Spaßiges und Einfaches in etwas Finsteres und Unheilbringendes verwandeln und zu einer das Leben umkrempelnden Katastrophe werden konnte.
    »Also gut, zugegeben. Wir vollziehen eine sehr große Veränderung. Aber dieser Zach …« Susannah hielt inne. »Die Party in jener Nacht …«
    »O mein Gott«, stöhnte Katie. »Ich bin ja so froh, dass wir hier sind und hier unser neues Leben beginnen, in dem du dann auch weiterhin über alles meckern kannst, was ich jemals falsch gemacht habe.«
    Als sich die Dinge in diesem Jahr zu entwirren begannen, hatte Susannah gemerkt, dass sie noch so viele Aktivitäten organisieren und steuern, noch so viele Bücher über Kindererziehung lesen, noch so viele Therapeuten zurate ziehen und noch so viele Problemlösungsgespräche mit Matt führen konnte – all das änderte nichts an einer verdammten Tatsache: Ihre verrückten Terminpläne mit diesem endlosen Kreislauf von Aktivitäten sollten eigentlich das Gegengift zu dem heimtückischen Einfluss von etwas sein, das Susannah noch nicht einmal benennen konnte – aber dieses Etwas sickerte trotzdem in ihre Familie ein.
    »Es geht nicht nur um dich. Auch Quinn braucht eine Veränderung.«
    »Quinn ist ein Freak«, entgegnete Katie.
    Susannah unterdrückte den Impuls, sie an beiden Schultern zu packen und zu schütteln. Dieses Kind, mit dem sich Susannah Herzschlag für Herzschlag identifiziert hatte, war jetzt jemand, den sie überhaupt nicht kannte. Manchmal, wenn sie nachts in ihrem Bett wach gelegen hatte, während Matt leise vor sich hin schnarchte, hatte sie sich gefragt, ob sie die Grenzen der angeblich unbegrenzten Mutterliebe erreicht hatte. Es war, als würde sie ins All geschossen, um dann gegen eine große schwarze Betonmauer zu krachen und festzustellen, dass es durchaus eine Grenze des Universums gab.
    Susannah erinnerte sich an die ersten Wochen nach Katies Geburt, als sie, halb verrückt vor lauter Hormonen und Schlafentzug, dagesessen und stundenlang ununterbrochen ihr Baby angestarrt und dabei vor Ehrfurcht und Dankbarkeit geweint hatte. »Dies wird für immer die größte Liebe meines Lebens sein«, dachte sie. »Egal, ob ich noch andere Kinder bekomme oder was mit Matt wird. Dies hier.« Und Katie war die Art von Kind, das besonders tiefe Gefühle wachrief. Als sie noch klein war, hatte sie sich an Susannah geklammert, ihre gummiartigen Lippen an Susannahs Kinn gepresst und so wild genuckelt, als wollte sie Susannahs Seele in sich einsaugen.
    Katies Ungestüm wuchs weiter, und sie wurde zu einem kleinen Mädchen, das sich um alles kümmerte – innigst und übertrieben intensiv. In der Grundschule organisierte sie einen Protest gegen die Hilfskraft, welche die Mittagspause
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