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Das letzte Theorem

Das letzte Theorem

Titel: Das letzte Theorem
Autoren: Pohl Clarke
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Wahrscheinlichkeit nach sehr, sehr ernst nahmen.

1
Auf dem Swami-Felsen
    Und nun begegnen wir endlich besagtem Ranjit Subramanian, von dessen langem und bemerkenswertem Leben dieses Buch handelt.
    Zu der Zeit war Ranjit sechzehn Jahre alt, Student im ersten Jahr an Sri Lankas bedeutendster Universität, die sich in Colombo befand, und noch mehr von sich eingenommen als ein durchschnittlicher Sechzehnjähriger. Es war Semesterende, und auf Geheiß seines Vaters hin hatte er den langen Weg von Colombo auf sich genommen und war quer über die Insel Sri Lanka in den Bezirk Trincomalee gereist, wo sein Vater das ehrenvolle Amt des Obersten Priesters in einem Hindutempel mit Namen Tiru Koneswaram bekleidete. Ranjit liebte seinen Vater sehr. Er war fast immer froh, ihn zu sehen. Dieses Mal jedoch hielt seine Freude sich in Grenzen, denn Ranjit ahnte bereits, worüber der ehrwürdige Ganesh Subramanian mit ihm sprechen wollte.
    Ranjit war ein intelligenter Bursche, beinahe so superschlau, wie er sich vorkam. Dazu sah er noch gut aus. Er war nicht besonders groß, aber das sind die meisten Sri Lanker nicht. Ethnisch gesehen war er Tamile, und seine Haut besaß die dunkelbraune Farbe von Kakao, kurz bevor man ihn in heiße Milch gibt. Doch seine Tönung hatte nichts damit zu tun, dass er Tamile war. Unter den Sri Lankern trifft man Leute mit nahezu skandinavischer Blässe bis zu einem tiefschwarzen Teint, der fast schon einen purpurnen Schimmer hat. Ranjits bester Freund, Gamini Bandara, war ein reinblütiger Singhalese, und egal wie viele Generationen man zurückging, der Stammbaum
blieb unverfälscht; trotzdem hatte der Junge dieselbe Hautfarbe wie Ranjit.
    Die beiden waren schon sehr lang miteinander befreundet - seit jener fürchterlichen Nacht, als Gaminis Schule bis auf die Grundmauern niedergebrannt war, vermutlich weil ein paar ältere Jungen in einem Lagerraum heimlich Zigaretten geraucht und aus Versehen den Brand entfacht hatten.
    Wie jede andere Person, die sich gerade in der Nähe aufhielt und fähig war, ein zersplittertes Stück Sperrholz in die Hand zu nehmen und auf die Ladefläche eines Lasters zu werfen, hatte man auch Ranjit zu Aufräumungsarbeiten herangezogen. Zusammen mit der gesamten Schülerschaft seiner eigenen Schule. Die Arbeit war dreckig gewesen, viel zu schwer für junge Leute, deren Muskeln an eine solche Schufterei nicht gewöhnt waren, ganz zu schweigen von den Holzsplittern, den Hautabschürfungen und den zahlreichen Schnitten durch die überall herumliegenden Glasscherben.
    Das war der unangenehme Teil gewesen, und es war wirklich schlimm. Aber es gab auch erfreuliche Momente. Zum Beispiel als Ranjit und ein anderer Junge seines Alters endlich zu der Ursache für jene kläglichen Laute durchstießen, die aus einem Trümmerhaufen kamen, und die verängstigte, aber unverletzte alte Siamkatze des Schuldirektors befreiten.
    Nachdem ein Lehrer die Katze auf den Arm genommen hatte, um sie ihrem Besitzer zu bringen, standen die beiden Knaben da und grinsten sich an. Ranjit hatte nach Art der Engländer die Hand ausgestreckt. »Ich bin Ranjit Subramanian«, stellte er sich vor.
    »Und ich bin Gamini Bandara«, erwiderte der andere Junge, während er die dargebotene Hand nahm und erfreut schüttelte. »Da ist uns ja was ganz Tolles gelungen, findest du nicht auch?«
    Doch, auch Ranjit freute sich, dass sie die Katze gerettet hatten. Sie hatten ihre Sache wirklich gut gemacht, der Einsatz hatte sich gelohnt. Als man ihnen schließlich erlaubte, an diesem
Tag ihre Arbeit niederzulegen, stellten sie sich zusammen in die Schlange, um ihr Abendessen, Haferbrei, in Empfang zu nehmen; zur Nacht legten sie ihre Schlafsäcke nebeneinander, und seitdem waren sie die besten Freunde. Sicherlich wurde diese Entwicklung durch den Umstand gefördert, dass Gaminis Schule durch das Feuer zerstört worden war und die Schüler in Ranjits Schule Aufnahme fanden. Gamini entpuppte sich als ein Freund, wie man sich einen besseren nicht vorstellen konnte; obendrein brachte er für die eine große Leidenschaft in Ranjits Leben, die er allerdings mit niemand anderem teilen wollte, nicht das geringste Interesse auf.
    Darüber hinaus nahm Gamini noch eine andere Rolle ein. Und exakt dieses Thema hätte Ranjit bei dem bevorstehenden Gespräch mit seinem Vater am liebsten ausgelassen.
    Ranjit zog eine Grimasse. Wie angewiesen, begab er sich direkt zu einem der Nebeneingänge des Tempels, doch nicht sein Vater empfing ihn dort,
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