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Das letzte Theorem

Das letzte Theorem

Titel: Das letzte Theorem
Autoren: Pohl Clarke
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Myra unterwegs zum Zentrum der Milchstraße, weil sie ganz erpicht darauf war, sich ein Schwarzes Loch aus der Nähe anzusehen.
    Während der paar Tausend Jahre, die Myra abwesend sein würde, verbrachte Ranjit auf einem virtuellen Berg aus Glasgespinst seinen Urlaub. (Er entspannte sich, indem er über das Theorem P = NP nachgrübelte. Jahrhundertelang hatte er sich den Kopf über dieses Problem zerbrochen, ohne einer Lösung auch nur einen Schritt näher gekommen zu sein.) Ranjit hatte diesen virtuellen Berg errichtet, um ungestört zu sein, und deshalb war er nicht wenig erstaunt, als er sah, wie plötzlich jemand die Flanke heraufstapfte und auf ihn zusteuerte.
    Der Ankömmling war nicht nur ein Fremder, sondern er sah überdies höchst merkwürdig aus. Die Augen waren winzig, das Gesicht hager und wie aus Stein gemeißelt, und er schien über drei Meter groß zu sein. Als er den Vorsprung erreichte, auf dem Ranjit ihn erwartete, warf er sich in einen Liegestuhl (der vor der Ankunft des Fremden nicht existiert hatte), atmete ein paarmal übertrieben tief durch und erklärte: »Ich probier’s einfach mal. ›Der Anstieg hier herauf ist ziemlich anstrengend, nicht wahr?‹ Habe ich in dieser Situation das Richtige gesagt? Würde man sich so ausdrücken?«
    In den letzten Jahrtausenden war Ranjit so oft von Fremden belästigt worden, dass von seiner Höflichkeit nicht mehr viel übrig geblieben war. Anstatt auf die Frage einzugehen, erwiderte er nur lakonisch: »Wer sind Sie, und was wollen Sie hier?«
    Der Fremde sah überrascht und erfreut zugleich aus. »Ich verstehe«, erwiderte er. »Sie kommen immer direkt auf den Punkt. Na schön. Ich glaube, jetzt muss ich sagen: ›Mein Name ist …‹«

    Aber was er dann von sich gab, klang nicht wie ein Name. Er prustete einfach ein paar unartikulierte Laute, gefolgt von den Worten: »Der Einfachheit halber können Sie mich ›Student‹ nennen. Denn ich bin hier, um Ihre Gedankengänge und Ihre Manieriertheit zu studieren … Gestik, Mimik und bevorzugte Ausdrucksweisen, wenn man so will.«
    Ranjit überlegte, ob er diesen Störenfried aus seinem sorgfältig konstruierten privaten Umfeld hinauswerfen sollte, doch die Situation entbehrte nicht einer gewissen Komik.
    »Oh«, entgegnete er, »wenn das so ist, dann studieren Sie mich, so viel Sie wollen. Nur zu. Aber eines würde mich interessieren - warum dieser Aufwand? Wozu soll das gut sein?«
    Der Fremde blies die Backen auf. »Das ist schwer zu erklären. Der Grund ist eine Art Gedenkveranstaltung, an der die Rückkehr der Großen Galaktiker gefeiert wird.«
    »Augenblick mal!«, erwiderte Ranjit. »Dann sind die Großen Galaktiker schließlich also doch zurückgekommen?«
    »Natürlich kamen sie zurück, aber erst nach - lassen Sie mich schnell nachrechnen und die Spanne in Ihre Zeitbegriffe übertragen -, nun ja, nach ungefähr dreizehntausend Jahren. Für die Großen Galaktiker war das nur ein kurzer Moment, aber für einen Menschen wie mich - oder auch wie Sie«, fügte er gnädig hinzu, »reichen dreizehntausend Jahre aus, um sich stark zu verändern. Tja, wie Sie sich selbst überzeugen können, hat die Evolution bezüglich der menschlichen Rasse keinen Stillstand erlebt, ganz im Gegenteil! Und nun haben wir damit begonnen, gewisse Ereignisse vor und nach der Rückkehr der Großen Galaktiker nachzustellen. Zeitweilig hatten Sie auch eine kleine Rolle in der Geschichte der Menschheit gespielt, und man hat mich dazu ausersehen, Sie zu verkörpern.«
    »Machen Sie vielleicht so etwas wie einen Film, und Sie spielen mich?«
    »Oh nein, ein ›Film‹ ist es ganz gewiss nicht, aber Sie haben Recht, ich werde Sie ›spielen‹.«

    »Huh!«, schnaufte Ranjit. »In letzter Zeit habe ich mich ein bisschen aus dem aktuellen Geschehen ausgeklinkt. Zum Beispiel hatte ich keine Ahnung, dass die Großen Galaktiker zurückgekommen sind.«
    Der Fremde schaute verdutzt drein. »Aber damit war doch zu rechnen! Sie hatten den Neungliedrigen und den Anderthalben versprochen, sie blieben nur für kurze Zeit weg. Und sie hielten ihr Wort. Sicher, unsereins betrachtet dreizehntausend Jahre nicht als eine kurze Zeit, aber die Großen Galaktiker legen halt andere Maßstäbe an. Im Übrigen waren sie sehr erstaunt, dass wir uns so schnell weiterentwickelt hatten. Sie hatten keinerlei Erfahrung darin, in welchem Tempo sich eine intelligente Spezies entfalten kann, wenn man diesen Vorgang nicht von außen stört, sondern sie schlichtweg
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