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Das letzte Relikt

Das letzte Relikt

Titel: Das letzte Relikt
Autoren: Robert Masello
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Sie rutschte ein Stückchen, eine Schindel löste sich und rollte über ihren Fuß. Doch gerade, als sie vollends die Balance zu verlieren drohte, bekam Carter ihre Hand zu fassen.
    »Halt durch!«, sagte er und zog sie zu sich, während er schwankend auf der höchsten Sprosse der Leiter stand. Einen Augenblick glaubte er, sie würden beide hintenüber kippen. Doch Beth bohrte ihre Zehen in die losen Schindeln und bremste ihren Fall. Carter stieg ein paar Sprossen herunter, dirigierte Beth auf die Leiter und langsam nach unten.
    Sobald sie den Boden erreicht hatten, zog er sie in ihre Arme. Sie zitterte, und als er ihr Haar küsste, stellte er fest, dass es nass und eiskalt war. Er zog ihren Bademantel weiter zu und verknotete den Gürtel.
    »Abbie …«, flüsterte Beth, »sie ist immer noch drinnen …«
    »Ich weiß.«
    »… mit ihm«, beendete sie den Satz schaudernd.
    Er musste Beth dazu überreden, zu verschwinden und sich irgendwo weit weg vom Haus in Sicherheit zu bringen. Aber wohin, und wie? Es war kein anderes Haus zu sehen, und das Auto der Metzgers würde nicht so bald aus dem Graben kommen.
    »Du hast nicht zufällig Abbies Wagenschlüssel, oder?« Doch er kannte die Antwort, ehe er die Frage überhaupt gestellt hatte.
    »Was? Nein.« Beth befreite sich aus seiner Umarmung. »Wir müssen ihr helfen.«
    »Beth, du kannst nichts tun«, sagte Carter. »Lass mich dich in Sicherheit bringen, und dann komme ich zurück und helfe Abbie, ich schwöre es dir.« Doch wie ein Kämpfer, der schon einiges hatte einstecken müssen, taumelte Beth bereits auf das erleuchtete Fenster des unteren Schlafzimmers zu.
    »Beth … bleib stehen«, mahnte er und folgte ihr.
    Aber sie befanden sich bereits beide in dem schwachen Lichtrechteck, das aus dem Fenster nach draußen fiel. Beth blieb stehen, starrte in das Zimmer mit dem großen Messingbett, den dazu passenden Nachttischen und dem orientalischen Teppich. Carter blickte ebenfalls hinein, aber alles was er sah, war ein leerer Raum.
    »O mein Gott«, sagte Beth und trat näher, den Blick nach oben gerichtet. Jetzt sah auch Carter, was sie entdeckt hatte. Oben an der Zimmerdecke, sich langsam drehend wie ein leuchtender Stern, schwebte Arius. Sein Körper umschlang Abbies und hielt sie beide in der Luft über dem Bett. Ihr Kopf hing im Nacken, als hätte sie das Bewusstsein verloren, und die Arme, die bis auf einen Bademantelgürtel an einem Handgelenk nackt waren, baumelten schlaff an den Seiten.
    Arius’ Leib pulsierte in einem goldenen Licht, als er sie in seiner Umarmung nahm. Unwillkürlich musste Carter an einen Naturfilm denken, den er einmal gesehen hatte. Libellen hatten sich mitten in der Luft vereinigt und hektisch mit den Flügeln geschlagen, während sie an Ort und Stelle zu stehen schienen.
    Beth hatte den Stein gefunden, den Carter vorhin hineinwerfen wollte, und richtete sich auf.
    »Beth«, sagte er, »was tust du da?«
    »Das muss aufhören«, sagte sie heiser, und ehe er sie aufhalten konnte, hatte sie den Stein geworfen, direkt in das Schlafzimmerfenster.
    Das Fenster erzitterte beim Aufprall, tausend kleine Risse bildeten sich wie bei einem Spinnennetz, doch die Scheibe blieb ganz.
    Im Schlafzimmer klammerte Arius sich immer noch an den Körper seines Opfers, doch langsam wandte er den Kopf zum Fenster.
    Beth hob einen weiteren Stein vom Boden auf und warf erneut. Dieses Mal zersplitterte das beschädigte Fenster, und die Glasscherben stürzten wie ein Wasserfall herab.
    Arius ließ Abbie los, so dass sie rücklings aufs Bett fiel.
    Mehr brauchte Carter nicht zu sehen. »Komm«, brüllte er und zog an Beths Hand. »Komm schon!«
    Er zerrte sie vom Haus fort und in die Dunkelheit des dahinterliegenden Feldes. Barfüßig stolperte Beth über den unebenen Boden, und Carter musste sie wieder aufrichten und sie weitertreiben. Aber wo sollten sie hin? Am Ende des Feldes, in über einhundert Metern Entfernung, lag die aufgegebene Apfelplantage. Die schwarzen Zweige der abgestorbenen Bäume glitzerten im Mondlicht, und dahinter ragte der einzige Schlupfwinkel weit und breit auf.
    »Die Scheune!«, rief er und hielt immer noch Beths Hand fest.
    An seiner Seite taumelte sie weiter, und er konnte an nichts anderes denken, als sie dort zu verstecken und dann zurückzukommen und irgendwie Arius zu erledigen.
    Sie rannten auf den Obsthain zu. Die ordentlichen Reihen, in denen die Bäume einst gepflanzt worden waren, waren jetzt unregelmäßig und schwer zu
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