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Das letzte Experiment

Das letzte Experiment

Titel: Das letzte Experiment
Autoren: Philip Kerr
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niemals.»
    «Und wer zum Teufel sind Sie dann?» Das war Carlos Fuldner, und er klang verärgert.
    «Mein wirklicher Name ist Bernhard Gunther. Ich war beim SD und habe für den Geheimdienst gearbeitet. Ich wurde von den Russen gefangengenommen und in einem Lager interniert, aus dem ich geflüchtet bin. Vor dem Krieg war ich Polizist. Kriminalbeamter bei der Berliner Polizei.»
    «Sagten Sie Kriminalbeamter?» Das war der Mann mit dem Bärtchen und der dicken Brille. Der, den ich als Polizisten zu erkennen glaubte. «Was für ein Kriminalbeamter?», fragte er.
    «Ich habe hauptsächlich bei der Mordkommission gearbeitet.»
    «Welchen Dienstgrad hatten Sie?», wollte er wissen.
    «Als der Krieg ausbrach, war ich KOK – Kriminaloberkommissar. Ein Chief Inspector quasi.»
    «Dann kennen Sie zweifellos Ernst Gennat.»
    «Selbstverständlich. Er war mein Mentor. Alles, was ich weiß, weiß ich von ihm.»
    «Er hatte doch einen Spitznamen, nicht? Wie wurde er in den Zeitungen nochmal genannt?»
    «Der Volle Ernst. Wegen seines Leibesumfangs und seiner Vorliebe für Süßes.»
    «Was ist aus ihm geworden? Wissen Sie das?»
    «Er war stellvertretender Leiter der Kriminalpolizei von Berlin bis zu seinem Tod 1939.   Er starb an einem Herzanfall.»
    «Zu schade.»
    «Zu viele Süßigkeiten.»
    «Gunther   … Gunther   …», überlegte er laut. «Ja, natürlich. Jetzt fällt es mir wieder ein. Ich kenne Sie.»
    «Tatsächlich?»
    «Ich war in Berlin, vor dem Zusammenbruch der Weimarer Republik. Ich habe dort Jura studiert.»
    Der Polizist in Zivil kam näher, sodass ich seinen Kaffee- und Zigarettenatem riechen konnte. Er nahm seine Brille ab. Offenbar rauchte er eine Menge. Seine Stimme klang wie ein geräucherter Hering. Entlang seines ergrauten Barts zogen sich Lachfalten, doch seine Stirn war ernst, und an seinen geröteten blauen Augen erkannte ich, dass er sich das Lachen inzwischen abgewöhnt hatte. Er sah mich durchdringend an.
    «Wissen Sie, dass Sie ein Vorbild für mich waren? Ob Sie es glauben oder nicht, Ihretwegen habe ich die Idee aufgegeben, Anwalt zu werden, und bin stattdessen zur Polizei gegangen.» Er sah zu Perón hinüber. «Herr Präsident, dieser Mann ist ein berühmter Berliner Detektiv! Als ich zum ersten Mal in Berlin war, 1928, gab es dort einen berüchtigten Würger. Sein Name war Gormann. Dieser Mann hier hat ihn überführt und gestellt. Es war ein echter
Cause célèbre
damals.» Er sah mich wieder an. «Ich habe recht, nicht wahr? Sie sind dieser Bernhard Gunther?»
    «Zu Diensten, mein Herr.»
    «Sein Name stand in sämtlichen Zeitungen. Ich habe alle Ihre Fälle verfolgt, so gut mir das damals möglich war. Und ja, ganz ehrlich, Sie waren einer meiner Helden, Herr Gunther.»
    Inzwischen hatte er meine Hand ergriffen und hielt sie fest.«Und jetzt sind Sie hier in Argentinien! Wie klein doch die Welt ist!»
    Perón warf einen Blick auf seine goldene Armbanduhr. Ich fing an, ihn zu langweilen. Der Polizist bemerkte das ebenfalls. Ihm schien nichts zu entgehen. Der Präsident hätte uns wahrscheinlich gar nicht mehr beachtet, wäre nicht seine junge Frau zu mir getreten und hätte mich von oben bis unten gemustert.
    Eva Perón war eine interessante Gestalt, wenn man Frauen mochte, die als Aktmodelle arbeiten könnten. Ich habe noch nie ein Gemälde eines alten Meisters von einer dünnen Frau gesehen, und Evitas Körper war an den richtigen Stellen zwischen Knien und Schultern interessant. Was nicht heißt, dass ich sie attraktiv fand. Dazu war sie zu kühl, zu geschäftsmäßig und zu gefasst für meinen Geschmack. Ich mag es, wen Frauen sich ein wenig verwundbar geben. Insbesondere zur Frühstückszeit. In ihrem navyblauen Kostüm sah Evita aus, als wäre sie bereit für einen Stapellauf. Jedenfalls für irgendetwas Wichtigeres, als sich mit mir zu unterhalten. Auf dem Hinterkopf trug sie ein kleines, gleichermaßen blaues samtenes Barett, während über ihrem Arm ein dicker Zobel hing. Nicht, dass irgendetwas von all dem meine Aufmerksamkeit sonderlich fesselte – meine Augen hingen hauptsächlich an den Klunkern, die sie trug. Den kleinen Kronleuchtern aus Diamanten, die an ihren Ohren baumelten, dem floralen Diamantbukett an ihrem Revers und dem atemberaubenden Golfball an ihrem Finger. Es sah aus, als hätten Van Cleef und Arpels ein exzellentes Jahr gehabt.
    «Dann haben wir also einen berühmten Detektiv hier in Buenos Aires», sagte sie. «Wie faszinierend.»
    «Ich weiß nicht,
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