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Das letzte Einhorn

Das letzte Einhorn

Titel: Das letzte Einhorn
Autoren: Peter S. Beagle
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sein wie diese Freude – einen ausgenommen, und auch für diesen danke ich dir. Leb wohl, guter Zauberer. Ich will versuchen, heimzugehen.«
    Lautlos verließ es ihn, aber er erwachte dennoch. Mollys Katze mit dem verkrümmten Ohr miaute verlassen. Als er nach König Lir und Molly Grue sah, erzitterte auf ihren offenen Augen das Mondlicht. Bis zum Morgen lagen alle drei wach, doch keines sprach ein Wort.
    Bei Tagesanbruch erhob sich Lir und sattelte sein Pferd. Bevor er aufstieg, sagte er-»Ich wünschte, ihr würdet mich eines Tages besuchen.« Sie versprachen es ihm, doch zögerte er immer noch, wickelte sich unschlüssig die Zügel um die Finger. »Ich habe heute Nacht von ihr geträumt«, brachte er dann hervor.
    Molly tief: »Ich auch!« Und Schmendrick öffnete seinen Mund und schloss ihn wieder.
    König Lir sagte heiser: »Bei unserer Freundschaft, ich bitt’ euch, was hat sie zu euch gesagt?« Seine Hände griffen nach den Händen der beiden, sein Griff war kalt und schmerzhaft.
    Schmendrick lächelte schwach. »Mein Gebieter, ich erinnere mich an meine Träume so selten. Ich glaube, wir redeten ernsthaft über törichte Dinge, redeten über dies und jenes, gewichtigen Unsinn, Leeres und Weitschweifiges …« Der König ließ seine Hand fahren, richtete seinen wirren und wilden Blick auf Molly.
    »Ich werde es dir nie und nimmer sagen«, rief sie ein wenig ängstlich, und errötete gleichzeitig seltsam. »Ich erinnere mich, aber ich werde es niemals einem Menschen sagen, und wenn ich deshalb sterben müsste; nicht einmal dir, mein Gebieter.« Sie sah bei ihren Worten nicht König Lir, sondern Schmendrick an.
    Lir ließ auch ihre Hand fallen und sprang so ungestüm in den Sattel, dass sein Pferd sich quer über die aufgehende Sonne bäumte und röhrte wie ein Hirsch. Doch König Lir blieb im Sattel, starrte so finster und grimmig auf die beiden herab, als wäre er schon so lange wie Haggard König gewesen.
    »Nichts hat sie zu mir gesagt«, flüsterte er. »Versteht ihr? Sie hat nichts, gar nichts zu mir gesagt.«
    Dann wurde sein Gesicht weich, so wie seines Vaters Gesicht ein wenig sanfter wurde, wenn er den Einhörnern im Meer zusah. Für einen Augenblick war er wieder der junge Prinz, der gerne bei Molly in der Küche saß. »Sie hat mich angesehen, in meinem Traum hat sie mich angesehen, aber gesagt hat sie nichts.«
    Er ritt ohne Abschied davon, und sie sahen ihm nach, bis die Hügel ihn verdeckten. ein aufrechter, trauriger Reiter, der nach Hause zog, um König zu sein. Nach einiger Zeit sagte Molly: »Der arme Mann, mein armer Lir.«
    »Es ist ihm nicht schlecht ergangen«, meinte der Zauberer. »Große Helden brauchen großes Leid und große Lasten, andernfalls bleibt die Hälfte ihrer Größe unbemerkt. Es gehört alles zum Märchen.« Aber in seiner Stimme lag ein kleiner Zweifel, und er legte sanft seinen Arm um Mollys Schultern. »Es ist gewiss kein böses, Geschick, ein Einhorn geliebt zu haben. Im Gegenteil, es muss das höchste Glück sein, wenn der Preis dafür auch sehr hoch ist.«
    Allmählich löste er sich von ihr, bis er sie nur noch mit den Fingerspitzen berührte; dann fragte er sie: »Sagst du mir jetzt, was das Einhorn zu dir gesagt hat?« Doch Molly Grue lachte nur und schüttelte den Kopf, bis ihr Haar sich löste und herabfiel und sie schöner war als die Lady Amalthea. Der Zauberer sagte: »Wie du willst. Dann werde ich das Einhorn suchen, und vielleicht wird es mir dein Geheimnis verraten.« Er drehte sich gelassen um und pfiff den beiden Rössern.
    Sie sagte kein Wort, solange er sein Pferd sattelte, doch als er mit ihrem begann, legte sie eine Hand auf seinen Arm. »Glaubst du, hoffst du wirklich, dass wir es finden können? Ich habe vergessen, ihm etwas zu sagen.«
    Schmendrick sah sie über die Schulter hinweg an. Das Licht der Morgensonne ließ seine Augen funkeln wie Tautropfen im Gras. Doch hin und wieder, wenn er in den Schatten des Pferdes trat, regte sich in seinem Blick ein tieferes Grün, das Grün von Tannennadeln, die eine schwache, kühle Bitternis an sich haben. »Ich befürchte es. Das würde bedeuten, dass es nun auch rast- und ruhelos umherzieht, und das ist ein Schicksal für Menschen, nicht für Einhörner. Doch ich hoffe, ich bin voller Hoffnung.« Dann lächelte er sie an und nahm ihre Hand in die seine. »Wie auch immer – da du und ich irgendeinen Weg einschlagen müssen, einen von den vielen, die schließlich doch alle an ein Ziel führen, warum
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