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Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen

Titel: Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen
Autoren: Peter S. Beagle
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drei, und nur Molly drehte sich noch mal um. Und ich glaube, das tat sie nur, um sich zu vergewissern, dass ich ihnen nicht folgte, denn ich sollte ja jetzt einfach nach Hause gehen und warten, bis ich erfuhr, ob meine Freunde noch lebten oder tot waren und ob der Greif noch mehr Kinder fressen würde. Es war aus und vorbei.
    Und vielleicht wäre ich ja nach Hause gegangen und hätte es aus und vorbei sein lassen, wenn Malka nicht gewesen wäre.
    Sie hätte natürlich bei den Schafen sein sollen und nicht bei mir – das ist ihre Aufgabe, so wie König Lír seine Aufgabe erfüllte, indem er dem Greif entgegen zog. Aber Malka hält mich auch für ein Schaf, das dümmste, lästigste Schaf, das sie je zu hüten hatte, weil es immer davonstreunt, in irgendeine Gefahr. Den ganzen Weg bis zum Midwood war sie ruhig neben dem Pferd des Königs hergetrottet, aber jetzt, wo wir allein waren, kam sie angerannt und sprang an mir hoch, bellte wie Donnerhall und warf mich um, wie sie es immer tut, wenn ich nicht da bin, wo sie mich haben will. Ich stemme immer schon fest die Füße in den Boden, wenn ich sie kommen sehe, aber es nützt nie was.
    Und dann, noch ehe ich wieder richtig auf den Beinen bin, fasst sie den Saum meines Kittels mit den Zähnen und zieht mich in die Richtung, in die ich ihrer Meinung nach gehen soll. Aber diesmal… diesmal richtete sie sich plötzlich auf, als ob sie mich ganz vergessen hätte, und starrte an mir vorbei in den Midwood, und das Weiße ihrer Augen war zu sehen, und aus ihrem Inneren kam ein tiefes Geräusch, von dem sie wohl gar nicht wusste, dass sie es machen konnte. Im nächsten Moment war sie auf und davon, raste in den Wald, dass ihr der Schaum vom Maul flog, die großen, schartigen Ohren ganz angelegt. Ich rief, aber sie konnte mich gar nicht hören, weil sie so laut bellte.
    Und da hatte ich keine Wahl. König Lír und Schmendrick und Molly hatten alle die Wahl, ob sie sich auf die Jagd nach dem Midwood-Greif machen wollten, aber Malka war mein Hund, und sie wusste nicht, womit sie es da aufnahm, und ich konnte sie’s nicht allein damit aufnehmen lassen. Also blieb mir nichts anderes übrig. Ich holte ganz tief Luft, sah mich um und ging ihr dann nach in den Wald.
    Oder vielmehr, rannte ihr nach, solange ich konnte, ging dann, bis ich wieder rennen konnte, und rannte dann wieder ein Stück. In den Midwood führen keine Wege, weil dort niemand reingeht, deshalb war nicht schwer zu erkennen, wo sich die drei Pferde durchs Unterholz gezwängt hatten – die Hufabdrücke und darüber die Spur eines Hundes. Es war ganz ruhig, kein Wind, kein einziger Vogelruf, gar kein Geräusch außer meinem eigenen Atem. Nicht mal Malka hörte ich mehr. Ich hoffte, sie hätten den Greif vielleicht im Schlaf überrascht und König Lír hätte ihn bereits im Nest getötet. Aber das glaubte ich nicht. Er hätte wahrscheinlich befunden, dass es unehrenhaft war, einen schlafenden Greif zu attackieren, und ihn zuerst aufgeweckt, damit es einen fairen Kampf gab. Ich kannte ihn noch nicht sehr lange, wusste aber, wie er sich verhalten würde.
    Dann, ein Stück vor mir, explodierte der Wald.
    Es war zu viel Lärm, um alle Bestandteile auszumachen. Da war Malka, die heulte, und das Geräusch von Vögeln, die überall aus dem Gesträuch stoben, und Schmendrick oder der König oder jemand rief etwas, aber ich konnte kein Wort verstehen. Und unter alldem war etwas, das gar nicht laut war, etwas zwischen einem Grollen und diesem schrecklichen, gedämpften Schrei, wie von einem verängstigten Kind. Dann – als ich gerade auf die Lichtung hinausbrach – das Klappern und Schaben von Messern, nur diesmal lauter, als der Greif steil emporschoss, die Sonne auf den Schwingen. Seine kalten, goldenen Augen stachen in meine, und sein Schnabel war so weit aufgerissen, dass man hinabgucken konnte in den flammendroten Schlund. Er füllte den ganzen Himmel.
    Und König Lír auf seiner schwarzen Stute füllte die ganze Lichtung. Er war so riesig wie der Greif, und sein Schwert war so groß wie eine Saufeder, und er schwenkte es zu dem Greif empor, forderte ihn heraus, zu landen und am Boden zu kämpfen. Aber der Greif hielt sich außer seiner Reichweite, kreiste, um sich diese fremden, neuen Leute von oben anzusehen. Malka war völlig außer sich, kläffte und schnellte immer wieder in die Luft, schnappte nach den Löwentatzen und Adlerklauen des Greifs, bekam aber nie auch nur eine einzige Eisenfeder zu fassen. Ich stürzte hin,
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