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Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)

Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)

Titel: Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)
Autoren: Frank Schmitter
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gehörte an diesem Tag zu den ersten Kunden in der Bäckerei an der S-Bahn. Manche betraten die kleine Filiale mit der Kaffee-Ecke und bekamen ihr Frühstück, ohne es eigens zu bestellen. Stammkunden. Ihrer Kleidung und ihrem Auftreten nach zu urteilen, waren es Handwerker und einfache Angestellte, die Frieder noch nie gesehen hatte. Als gäbe es um Viertel nach sechs eine andere, fremde Wirklichkeit, mit der er noch keine Berührung gehabt hatte.
    Das Textverarbeitungsprogramm lud automatisch das letzte Dokument auf den Bildschirm – den Tätigkeitsbericht, den er gestern nicht abgeschlossen hatte.
    „Ich kann meine Fähigkeiten in meinem Aufgabenbereich voll entfalten/zufriedenstellend entfalten/ungenügend entfalten. Zutreffendes bitte unterstreichen . “
    Frieder fuhr mit den Händen über sein Gesicht und fühlte Bartstoppeln, wenige nur an den Wangen, aber um das Kinn herum ein dichtes Feld, das an den Handballen kratzte. Er hatte gestern Abend nur wenige Minuten nach den Polizisten das Haus verlassen, ohne in den ersten Stock hinfaufgegangen zu sein. Er war in drei, vielleicht auch vier Kneipen gewesen, hatte jeweils mehrere Biere und Obstler getrunken. Nach seiner Rückkehr hatte er sich auf die Couch im Wohnzimmer gelegt, ohne sich auszuziehen; der Kopf schwer wie ein Medizinball, sein Magen ein Paternoster, der seinen Inhalt bis zum Kehlkopf hochtransportierte und dann doch wieder den Weg zurückfand. (Frieder erbrach sich nur äußerst selten.)
    Um kurz vor sechs wachte er auf, wusch sich notdürftig in der Gästetoilette und verließ das Haus.
    Viele Menschen glauben, dass man nur bei einem harmonischen Privatleben dauerhaft zu hohen Leistungen im Beruf fähig ist. Finden Sie persönlich diese Meinung absolut richtig/bedingt richtig/nicht richtig. Zutreffendes bitte unterstreichen.
    Frieder war sicher, dass Daria auf einen Anruf wartete. Eigentlich wollte er auch mit ihr reden, aber er wollte ihr nichts sagen, und er glaubte nicht, dass das eine ohne das andere ginge. Er wollte nichts erklären, nicht heute, nicht im Kielwasser irgendwelcher polizeilichen Ermittlungen, deren Dimension ihm unklar war. Er wollte nicht über Mark reden; schlagartig wurde ihm deutlich, dass er mit Daria niemals über Mark reden wollte, dass es eigentlich gar nicht um Mark ging. Sondern um so etwas wie die Existenz der Ferne in der Nähe . Der Satz war plötzlich da, wie Treibgut an den Rand seines Bewusstseins gespült, und Frieder nahm einen Zettel und schrieb ihn auf.
    Danach blätterte er in diversen Fachzeitschriften, die sich auf seinem Schreibtisch angesammelt hatten. Er beschloss, mehrere Artikel zu fotokopieren. Sie waren nicht eigentlich wichtig, aber der Weg zum Kopierraum, vorbei am Zimmer seiner Vorgesetzten, erzeugte zumindest den Anschein einer Aktivität.
    Ich glaube, dass meine Vorgesetzten mit meiner Arbeit sehr zufrieden/zufrieden/weniger zufrieden sind. Zutreffendes bitte unterstreichen.
    Um 16 Uhr fuhr er nach Hause. Es war so warm, dass die Klimaanlage, sobald er den Volvo gestartet hatte, auf Hochtouren lief und in seinen Ohren dröhnte. Die Umgehungsautobahn war um diese Uhrzeit noch kaum befahren. Als er in die Karolinenstraße einbog, glaubte er nicht, die Strecke jemals in so kurzer Zeit geschafft zu haben. Er sah Franklin, Skye und Lara im Sandkasten, Heide saß auf der Bank und las. Neben ihr ein Tablett mit selbstgemachtem Eistee und Kuchen (Honig statt Zucker). Frieder hielt mit laufendem Motor vor seiner Garageneinfahrt (würde es darüber bald eine Diskussion geben?), öffnete das Tor und fuhr den Volvo hinein. Zum ersten Mal ärgerte er sich darüber, vor ein paar Wochen Georgs Angebot ausgeschlagen zu haben, einen elektronischen Antrieb zu installieren. So musste er das Tor von außen schließen und riskieren, von Heide oder den Kindern gerufen zu werden – was nicht geschah.
    Als er die Haustür aufschloss, spürte er beinahe im selben Augenblick, dass Daria und Svenja nicht da waren. Es gibt die Stille, und es gibt eine Art von Stille, die mitteilt, dass niemand anwesend ist. Frieder hängte die Jacke auf, ging ins Wohnzimmer und dann in die Küche. Auf dem Tisch lag ein Blatt Papier, beschwert mit einem Kugelschreiber.
     
    Frieder,
    ich habe mit meinen Eltern telefoniert und mit der Schulleitung. Ich werde Svenja mit mir nehmen, die Pfingstferien beginnen sowieso bald. Als Du weder gestern Abend noch heute Morgen mit mir geredet hast, stand mein Entschluss fest. Ich möchte Dich auch
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