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Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)

Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)

Titel: Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)
Autoren: Frank Schmitter
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Irgendjemand, der Randale machen wollte. Es ist vorbei.“
    Sie umarmte ihn und fing plötzlich an, heftig zu schluchzen. Frieder streichelte ihren Rücken und bugsierte Daria vorsichtig in ihr Schlafzimmer; er wollte nicht riskieren, dass Svenja jetzt noch aufwachte.
    „Es ist vorbei“, sagte er, als er Daria langsam aufs Bett gleiten ließ.
    Es ist nicht vorbei, dachte er, es hat gerade erst angefangen. Er hatte die Stimme des Mannes erkannt.
     
    Ein Unfall war passiert. Auf dem Parkplatz vor dem Bürogebäude waren zwei Autos ineinandergefahren. Der Fahrer des einen Fahrzeugs suchte einen Parkplatz, der andere stieß gerade aus der Parklücke. Ein kurzes, dumpfes Geräusch, das Frieder ans Fenster holte. Nun sah er zu, wie ein Mann aus einem BMW – der Parkplatzsucher – und eine junge Frau mit langen blonden Haaren aus einem feuerroten offenen Sportwagen stiegen und den Schaden in Augenschein nahmen. Als sie sich hinunterbeugten, sah es aus Frieders Perspektive einen Sekundenbruchteil lang so aus, als würden sie nun auch mit den Köpfen zusammenstoßen. Die Frau – sie war groß, sehr schlank und wirkte in ihrem knappen hellbraunen Kostüm wie die Idealbesetzung für den Sportwagen –  machte einen Schritt zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Der Mann, älter als sie, in einem hellgrauen Businessanzug, gestikulierte mit den Armen und redete unaufhörlich. Als könne er die Schuld auf ihre Seite herüberreden. Die Frau schwieg und schaute in eine andere Richtung. Schließlich nahm sie ihr Handy vom Beifahrersitz.
    Frieder kehrte an den Computer zurück. Er schrieb an seinem Tätigkeitsbericht, den die Firma einmal jährlich anforderte. In diesem Jahr zwei Monate früher als üblich, ohne Begründung. Einige Kollegen raunten, dass es nicht mehr so gut lief, dass eigentlich zugesagte Aufträge storniert oder gecancelt würden. „Die ersten Schallwellen einer Krise erwischen immer uns“, sagte einer. Frieder holte den Bericht von 1998 auf den Bildschirm und kopierte zunächst die Tätigkeitsmerkmale herüber in das aktuelle Formular. Das Feld „Weiterbildung, Schulungen, Qualifikationsmaßnahmen“ blieb leer, seit über fünf Jahren.
    Er las seine Antwort auf die Frage: „Meine persönlichen Ziele für das kommende Geschäftsjahr“, markierte sie, aber während der Cursor sie herübertragen wollte, brach Frieder den Vorgang ab. Ist die Wiederholung der Antwort nicht gleichbedeutend mit dem Nichterreichen der Ziele im letzten Jahr? Also das Eingeständnis des Stillstands?
    Frieder ging in die Teeküche und setzte den Wasserkocher auf. Er dachte an Daria, wie sie gestern Abend, kaum lag sie in dem Bett, in einen festen, bleiernen Schlaf gefallen war. Ihr Mund stand offen, ein Speichelfaden bildete sich an ihrer Unterlippe. Er war noch einmal nach unten gegangen und hatte einen Whiskey getrunken. In seinem Kopf schlugen Bilder wild aneinander, von Mark, von ihrem letzten Treffen an der Isar. Aber die Bilder führten keine Erklärung mit sich, Frieder verstand nicht, warum der Vater des Jungen aufgetaucht war. Als er wieder ins Schlafzimmer kam, lag Daria noch in derselben Position.
    Welche Ziele hatte er also für dieses Jahr? Frieder trank den letzten Schluck Tee und harrte einer rettenden Eingebung, als eine Mail hereinkam. Von Freidorfer. „Caro Frieder Geesen, mein Dreamteam ist endlich komplett. Leider kann ich Ihnen kein Trikot anbieten. Wenn wir gut in die neue Spielzeit starten, ist es ben possibile , dass wir sehr viel weniger Aufträge außer Haus geben. Das werde ich direkt mit Ihren Vorgesetzten abklären. Cordiali saluti .“
    Die Nachricht pumpte in Frieders Magen, ein zweiter Herzschlag. Er las die Mail noch mehrmals, als hoffte er, dadurch ihren Inhalt ändern zu können.
    Es war kurz vor halb zwölf. Frieder verlegte seine Mittagspause vor, er musste raus aus seinem Büro. Als er seine belegten Brote aus dem Kühlschrank in der Teeküche nehmen wollte, fiel ihm der Imbisswagen ein, der zwei Querstraßen weiter vor einer Turnhalle stand. Er hatte plötzlich eine unwiderstehliche Lust auf eine Currywust mit Pommes frites, auf Dosenbier, auf schwitzende Bauarbeiter und gelangweilte Schüler neben sich an den runden, knallgelben Stehtischen. Er wollte in die Wurst beißen und Freidorfer einen qualvollen Erstickungstod wünschen an dessen Seebarsch mit Sauce Charon auf einem Zucchinibett.
    Die Sonne stand beinahe senkrecht am Himmel, als er nach einem längeren Spaziergang
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