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Das Leben Zimmer 18 und du

Das Leben Zimmer 18 und du

Titel: Das Leben Zimmer 18 und du
Autoren: Nancy Salchow
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den Symptomen meiner Krankheit immer wieder auf den Boden zurückgezogen wurde, war er mir ein großer Halt. Immer und immer wieder.
    Bastian war es, der meine Tränen trocknete, wenn ich mir selbst wieder einmal zu viel zugemutet hatte. Er verstand es wie kein anderer, mich selbst im Weinen zum Lachen zu bringen und den Rest der Welt mit all seinen Sorgen mühelos für mich auszublenden. Wie schlecht es mir auch ging, er nahm sich selbst immer wieder zurück, nur um stark für mich zu sein.
    Wir teilten dieselbe Verrücktheit, lachten miteinander über versaute Witze, liebten uns geistig und körperlich zu jeder Tageszeit wie zwei unbeschwerte Teenager. Nichts schien uns etwas anhaben zu können.
    Bis zu dem Tag, an dem ich abends aus dem Kino nach Hause kam (eine Freundin und ich hatten uns nach langer Zeit wiedergetroffen) und Bastian in einem emotional sehr aufgewühlten Zustand antraf. Ein Zustand, den ich bis zu dem Zeitpunkt nicht kannte.
    Weinend saß er auf dem Sofa und hörte in ohrenbetäubender Lautstärke Musik. Es machte mir Angst, ihn so zu sehen, mit all seinen Zweifeln und den nicht enden wollenden Tränen, denn erst kurz zuvor hatte man ihm ausgerechnet aufgrund seiner Krankheit gekündigt, obwohl er sich zum ersten Mal seit der Diagnose wieder emotional auf stabilem Boden befunden hatte und auch aufgrund unserer Beziehung gestärkter als je zuvor auf die Herausforderungen des Lebens zugegangen war.
    Anfangs hatte er die Kündigung augenscheinlich auch ganz gut verkraftet, mittlerweile machte sie ihm aber doch mehr zu schaffen, als er bereit gewesen war zuzugeben.
    Hinzu kam, dass ihn die Kraft, die er investiert hatte, um mich zu stärken, scheinbar zu Boden gerissen hatte. So, wie es auch mich bei zu viel Euphorie und dem Fehler, zu viel auf einmal zu wollen, immer wieder aus der Bahn geworfen hatte, schlug die Krankheit nun umso stärker auch bei ihm zurück. Denn viel zu lange hatte er sich in den Kopf gesetzt, mein persönlicher Mr. Unbreakable zu sein. Ein Streben, das ihn nun mit voller Wucht zurückwarf.
    Die Erinnerungen an seine Kindheit, die er teilweise im Heim verbringen musste und die einschneidenden Erfahrungen, die er dort gemacht hatte, schnitten gerade jetzt wieder tiefe Wunden in seine Seele.
    Erst am Morgen hatten wir noch miteinander rumgealbert, er hatte aus Spaß sogar meinen Slip übergezogen und sich strikt geweigert, ihn wieder herzugeben. Eine der Verrücktheiten, die wir miteinander teilten.
    Doch an diesem Abend erlebte ich ihn zum ersten Mal von einer anderen Seite. Eine Seite, von der er mir oft erzählt hatte, die ich mir aber bildlich nie hatte vorstellen können.
    Es dauerte eine Weile, bis wir herausfanden, was der eigentliche Auslöser für seine schlechte Stimmung war: Er hatte seine Antidepressiva drei Tage lang nicht genommen. Schon vorher hatte er die Einnahme nie so genau genommen, eine solch lange Auszeit war aber auch für ihn neu. Spätestens jetzt begriff er, dass er noch immer auf die Tabletten angewiesen war, doch im selben Moment fiel ihm auch ein, was ihm seine Ärztin mitgeteilt hatte: Sobald er die Tablette länger als zwei Tage nicht einnimmt, dauert es zehn bis vierzehn Tage, bis die Wirkung wieder einsetzt.
    Doch sein Zustand, um diese Tage ohne Wirkung wohlbehalten zu überstehen, war zu besorgniserregend. Zumindest in meinen Augen. Es tat mir weh, ihn so leiden zu sehen. Weinend und völlig in emotionaler Aufruhr. Umso glücklicher war ich, als ich ihn nach langem Drängen endlich dazu bringen konnte, ins Krankenhaus zu gehen. Ich war mir sicher, dort hatte man die Mittel, ihm zu helfen, bis die Wirkung der Antidepressiva wieder einsetzte.
    Noch heute habe ich uns vor Augen, wie wir an jenem Abend im Aufenthaltsraum der Station sitzen und darauf warten, dass sein Zimmer vorbereitet wird. Bastian auf einem der Stühle im abgedunkelten Raum, der nur durch das Flurlicht erhellt wird, ich auf Knien vor ihm, die Arme auf seinem Schoß verschränkt.
    Er ist im Zwiespalt. Will nicht hier bleiben. Will es lieber allein zu Hause versuchen. Doch langsam wird er ruhiger und scheint zu erkennen, dass dies vermutlich wirklich der vernünftigere Schritt ist.
    „Ich bin mir nicht sicher, ob ich das durchstehe.“
    „Natürlich wirst du das.“ Ich greife nach seiner Hand und führe sie zu meinen Lippen. „Und denk immer daran, die Wölfe sind in guten Händen. Ernchen auch. Ich kümmere mich um alles. Du warst die ganze Zeit für mich da, jetzt ist es
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