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Das Leben nach dem Happy End

Das Leben nach dem Happy End

Titel: Das Leben nach dem Happy End
Autoren: Pia Juul
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fiel auf mich selbst im Spiegel. Ich versank in Hallands grauem Bademantel, mein Haar hing in wirren Strähnen herab, noch immer nass. Mein Blick war fremd. An der Wand über meinem Kopfende hingen zwei kleine Fotografien in schwarzen Rahmen. Eine ungewöhnlich persönliche Note in diesem Haus. Ernstzunehmende Spuren meiner Existenz fanden sich sonst nur in meinem Arbeitszimmer. Diese beiden Bilder zeigten meinen Opa und Abby. Als ich sie verlassen hatte, war sie vierzehn gewesen, doch hier war sie sieben, zahnlos und gedankenvoll, ihr sonnengebleichtes Haar flatterte im Wind. Er saß in einem Liegestuhl und trug einen Strohhut. »Opa!«, sagte ich. »Ich muss ihn wenigstens anrufen!« Ich fing an zu weinen.
    »Warum kannst du ihn nicht besuchen?«, fragte meine Mutter.
    »Halland ist tot«, sagte ich und hängte den Hörer hastig wieder auf seinen Platz an der Wand. Ich durchwühlte einen Haufen Kleidung auf einem Stuhl und eine lange Hose und einen Pullover.
    Es klopfte an der Tür. »Herein!«, rief ich und zog eine Bürste durch mein Haar. Der Große steckte seinen Kopf durch die Tür.
    »Ist außer Ihnen noch jemand zu Hause?«, fragte er.
    »Nein!«, antwortete ich. »Ich habe telefoniert.«
    »Mit wem?«, fragte er.
    »Das geht Sie ja wohl nichts an!«, sagte ich. »Mit meiner Mutter.« Meine Stimme brach erneut. »Entschuldigung! Es ist nur … es ist nur, weil«, jetzt konnte ich mich nicht mehr beherrschen und verbarg mein Gesicht in den Händen. Er sollte mich so nicht sehen, ein Wildfremder. »Entschuldigung, aber mein …«
    »Kommen Sie doch erst mal und trinken Sie einen Kaffee«, sagte er.
    Ich folgte ihm in mein eigenes Wohnzimmer, was verkehrt wirkte. Ich weinte noch immer, als ich die Decke vom Sofa nahm und begann, sie zusammenzulegen. Das Telefon klingelte. »Lassen Sie es klingeln«, sagte ich. »Das ist meine Mutter. Ich habe gerade mit ihr gesprochen, und sie hat mir erzählt, dass mein Opa bald stirbt, ich …« Ich schluchzte und musste mich setzen. »Ich habe ihn so viele Jahre nicht gesehen, und jetzt stirbt er!«
    Sie sahen einander an, dann mich, dann wieder sich. Ich stand auf, um etwas Küchenrolle zu holen, und schnäuzte mir die Nase.
    »Ihnen ist klar, warum wir hier sind?«, fragte der Ältere.
    Ich antwortete nicht, nickte aber leicht. »Ja ja, ich habe ihn draußen gesehen«, sagte ich.
    »Halland Roe wurde durch einen Schuss getroffen und tödlich verletzt. Sind Sie Bess?«
    Ich nickte.
    »Also seine Frau?«
    »Wir sind nicht verheiratet«, sagte ich und sah mich im Wohnzimmer um. »Aber wir haben zehn Jahre lang hier gewohnt. Das ist Hallands Haus. Wollen Sie mich wieder verhaften?«
    »Sie verhaften?«
    »Es war ein Mann hier … namens Bjørn. Er sagte, ich hätte Halland erschossen.«
    »Und, haben Sie?«
    Ich antwortete nicht, fing nur wieder an zu weinen und wusste nicht, warum. Über meinen Großvater und Halland und Abby auf einmal. Über meine zielgerichtete Energie, sie war ja irrsinnig. Es war mir einleuchtend erschienen, Abby anzurufen, als sei es ein Lebensziel, als sei es mein höchstes Lebensziel. Und jetzt verstand ich es überhaupt nicht mehr.
    Ich war von einem Schuss geweckt worden. Das war alles. Sie erklärten mir, dass Halland erschossen worden und tot sei. Bjørn, der nicht wie von mir gedacht Polizeibeamter war, sondern der Hausmeister der Schule, die etwas weiter entfernt hinter dem Platz lag, hatte gesehen, wie Halland getroffen wurde, wankte und umfiel. Und er meinte, Halland sagen gehört zu haben: »Meine Frau hat mich erschossen.«
    Das erklärten sie mir. Und dann sahen sie mich mit ihren milden, betroffenen Mienen an. Doch ich verstand es überhaupt nicht. Ich verstand nicht, dass sie eine Erklärung haben wollten, denn die würde ich doch nicht geben können, es kam mir nicht in den Sinn, dass es etwas mit mir zu tun hatte. Ich begriff nicht, dass sie gern herausfinden wollten, ob ich ihn erschossen haben könnte. Oder? Sie sagten nichts weiter, also rate ich jetzt. Doch sie warteten darauf, dass ich etwas sagte, so viel verstand ich. Also sagte ich: »Darf ich ihn noch einmal wiedersehen?«
    Das dürfe ich gern, später.
    Ich weinte nicht mehr. Ich trank von dem Kaffee, den er in der Stempelkanne zubereitet hatte, die wir nie verwendeten. Bestimmt war sie verstaubt gewesen, ob er sie vorher gespült hatte? Dann bemerkte ich, dass der Dunkle mit mir redete. Ich sah ihn an.
    »Wie heißen Sie noch mal?«, unterbrach ich ihn.
    »Funder«, sagte
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