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Das Leben ist groß

Das Leben ist groß

Titel: Das Leben ist groß
Autoren: Jennifer Dubois
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können zwischen der politischen und historischen Kulisse, die in der Realität verankert ist, und den fiktiven Handlungen, die vor diesem Hintergrund von fiktiven Figuren, manchmal sogar von realen Figuren ausgeführt werden – ich selbst lese zum Beispiel gerade Don DeLillos Libra , einen Roman, der teilweise aus der Perspektive von Lee Harvey Oswald geschrieben ist, und da ist der Unterschied deutlich zu spüren.
    F: Passend zu den Interessen Ihrer Figuren kommt das Thema Schach in Ihrem Text auf unterschiedliche Art und Weise immer wieder zum Tragen. Ich zitiere eine Passage, die sehr schön mehrere Ihrer Themen zusammenfasst: »Auf seinem Weg am Fluss entlang überrascht es ihn wieder, wie nah die Zukunft ist. Er kann sie gerade eben nicht sehen, aber sie ist nicht weit. (…) Er kann sie spüren, wie die verschwommene Andeutung eines unentdeckten Landes, das aus dem Nebel auftaucht, oder wie den Verlauf eines Endspiels, der irgendwo tief in seinem Unterbewusstsein Gestalt annimmt.«
    Obwohl Schach also eine wichtige Rolle spielt, nehmen konkrete Turniersituationen oder Spielpassagen im Text eher wenig Raum ein. Haben Sie im Verlauf des Schreibprozesses einmal darüber nachgedacht, mehr Schachspielhandlung in den Text einfließen zu lassen?
    A: Ich wollte unbedingt so über Schach schreiben, dass es für ernsthafte Spieler überzeugend klingt, aber auch für Laien interessant bleibt, deshalb habe ich nur die Partien detailliert beschrieben, die bei meinen Figuren einen starken emotionalen Nachhall erzeugen. So nimmt zum Beispiel das Spiel, mit dem Alexander Weltmeister wird, breiten Raum ein, genauso wie seine Niederlage gegen den Computer Deep Blue. In diesen beiden Partien werden die Züge genau beschrieben, aber man muss sie nicht nachvollziehen können, um zu begreifen, wie viel für Alexander dabei auf dem Spielsteht. Dazu habe ich hier und da ein paar Details und Insider-Gags versteckt, mit denen nur echte Enthusiasten etwas werden anfangen können – indem ich zum Beispiel die realen Züge Kasparows gegen Deep Blue und gegen Karpow in den Text aufgenommen und Passagen aus anderen berühmten Partien ebenfalls im Text untergebracht habe (zum Beispiel in Alexanders Spiel gegen seinen Lehrer an der Schachakademie). So habe ich versucht, den Text für manche Leser mit einer zweiten Ebene anzureichern, ohne dass andere schreiend davonrennen.
    F: Auf Ihrer Website werden Leser dazu angeregt, zu untersuchen, inwieweit Ihr Roman wie eine Schachpartie strukturiert ist. Nabokov wiederum macht seine Leser in dem Vorwort zu seinem Roman »Lushins Verteidigung« selbst auf bestimmte erzählerische Schachzüge aufmerksam. Haben Sie als Autorin das Gefühl, sich mit Ihren Lesern auf eine Art Schachpartie einzulassen? Und inwiefern gilt das für diesen Roman?
    A: Ich habe nicht das Gefühl, mit meinen Lesern Schach zu spielen, aber ich denke schon, dass Schach die Struktur meines Romans prägt. Zum Beispiel ist natürlich Alexanders und Irinas Verhältnis zu Putins Regime antagonistisch, und sie vollführen Schachzüge – und lassen sich am Ende auf Opfer ein –, die durchaus etwas von der Logik des Schachspiels an sich haben. Außerdem wechselt die Perspektive mit jedem Kapitel zwischen Alexander und Irina hin und her, was auch an eine Schachpartie erinnert; beim Schreiben ist mir aufgefallen, dass die Figuren in dem, was sie tun, oft auf etwas reagieren oder an etwas anknüpfen, was der jeweils andere im Kapitel davor getan hat, selbst bevor sie einander begegnet sind.
    Ich hoffe, dass die Art, wie der Plot abläuft, insofern an Schach erinnert, dass jedes neue Ereignis sowohl unvorhersehbar ist als auch logisch auf dem aufbaut, was vorher passiert ist. Flannery O’Connor hat einmal gesagt, das Ende einer Geschichte sollte ambesten sowohl überraschend als auch unausweichlich sein, und ich denke, so ist es wahrscheinlich auch mit guten Zügen beim Schach.
    F: Was hat es mit Schach oder überhaupt mit Aktivitäten, die viel Konzentration und Phantasie erfordern, auf sich, das Sie als Autorin dazu bewegt, für die Dauer eines ganzen Buchprojekts ihre Zeit mit Schach spielenden Protagonisten verbringen zu wollen?
    A: Zwischen dem Schreiben und dem Schachspiel scheint es durchaus Ähnlichkeiten zu geben – beides sind einsame Beschäftigungen, bei denen man nur dasitzt und sich mit etwas Unwirklichem beschäftigt, so dass einen alle anderen für verrückt oder faul halten –, und das könnte etwas sein, das mich zu
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