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Das Leben ist eine Oeko-Baustelle

Das Leben ist eine Oeko-Baustelle

Titel: Das Leben ist eine Oeko-Baustelle
Autoren: Christiane Paul
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Friedensnobelpreisträger Al Gore, der viele Menschen für das Klimaproblem sensibilisiert hat. Aber viele finden es auch seltsam, wenn er mit dem Privatjet in Europa einfliegt. Ich zum Beispiel.
    Täte es first class, Linie, nicht auch?
    Ja, sagt Levermann, in dieser Hinsicht sei Gore sicher kein Vorbild.
    »Grundsätzlich aber bin ich dafür, die Helden nicht auseinanderzunehmen, weil sie irgendetwas falsch machen. Sie müssen etwas falsch machen, um etwas richtig machen zu können.«
    Er erzählt von einem Vortrag, nach dem ein Automanager ihm jovial auf die Schulter klopfte: Nichts für ungut, er fliege ja jeden Tag zur Arbeit aus Süddeutschland ein.
    Da habe er gedacht: Na, du machst das für etwas vollkommen Sinnloses.
    »Die Menschen sind verschieden, und deshalb erreicht man sie auf verschiedenen Wegen. Manche erreicht man über Vorbilder, die eine idealistisch-perfektionistische Lebensvorstellung von sich selbst haben. Das hatte ich früher auch.«
    Was heißt das?
    »Ich wollte versuchen, alles richtig zu machen.«
    Und?
    »Das ging damals noch, weil meine Welt noch kleiner war.« Als sie größer wurde – oder er anfing, sie größer zu machen –, sei der Ansatz nicht mehr zu halten gewesen und vor allem nicht mehr richtig.
    Seinem früheren Denken entsprechend hätte er versucht, möglichst wenig oder gar nicht zu fliegen, um die Umwelt zu schützen. Nach seiner heutigen Überzeugung muss er viel fliegen, um möglichst oft zu sprechen und Einfluss zu nehmen. Solange es etwas bringt.
    Levermann erzählt, dass es ihn zornig mache, wenn etwa bei den Grünen immer wieder Leute daherkämen und sagten: »Müssen wir nicht Autos verbieten?«
    »Warum macht Sie das zornig?«
    »Da geht es nur darum, die eigene Seele zu retten, nicht aber darum, das Problem zu lösen. Und das macht mich ärgerlich.«
    Es geht ihm um die Unterscheidung zwischen Aktionen, bei denen sich der Handelnde gut oder moralisch überlegen fühlt, und Aktionen, die für sich selbst genommen nicht einen moralischen Anspruch erheben können, aber gut und sinnvoll sind in Richtung auf das Ziel.
    Ich sage: »Das Klimaproblem ist ja nicht unser einziges, da runter liegen all die Dinge, die seit Jahrzehnten nicht gelöst sind, das Problem ist multifaktoriell …«
    »Es stimmt, dass die Gesellschaft in verschiedenen Bereichen nicht funktioniert und nicht nur das Klimaproblem hat. Aber die Komplexität darf nicht zu Stagnation führen.«
    »Das tut sie aber.«
    »Richtig. Deshalb dürfen wir nicht alles gleichzeitig anschauen und nicht alles gleichzeitig lösen wollen.«
    Damit kommt er zu seiner Hauptthese.
    »Wir haben beim Klimaproblem die Möglichkeit, das Ganze zu lösen. Wenn wir die Energieversorgung nachhaltig machen, haben wir einen Pfad, der noch nie beschritten wurde. Deshalb plädiere ich dafür: Fokussieren wir uns auf das Klimaproblem und schlagen diesen Pfad ein. Denken Sie an das Ozonloch. Da sagte die Industrie auch: ›Wir brauchen fünf Jahre, um von den FCKWs loszukommen, sonst sind wir am Ende.‹ Dann hat keiner mehr Produkte mit ozonschädlichen FCKW-Treibmitteln gekauft, und dann war das«, er schnalzt mit den Fingern, »so schnell erledigt. Das war ein kleiner Pfad. Wenn wir das Energie problem lösen, haben wir einen großen Pfad geschaffen. Dieser Pfad hat zwar viele, aber eben nicht unendlich viele Stränge.«
    »Welche sind das?«
    »Da ist etwa der Emissionshandel. Kohlendioxid muss einen Preis haben und gehandelt werden. Momentan ist das bei den Unternehmen noch in der Werbeabteilung, das muss aber in die Finanzabteilung. Dieses Geld brauchen wir, um es in erneuerbare Energien und in intelligente Netze zu stecken. Erneuerbare Energien haben so viele Vorteile, sie müssen aber auch billig sein. Wenn man in China sagt: Ihr könnt zum gleichen Preis statt eines Kohlekraftwerks erneuerbare Energien produzieren, nehmen sie die.«
    »Glauben Sie wirklich an den Emissionshandel? Der wird doch unterlaufen, es wird gelogen und betrogen.«
    Levermann winkt ab. »So what? Das ist immer so. Die UNO ist ein Zusammenschluss von vielen auch undemokratischen Ländern, trotzdem brauchen wir sie. Man muss natürlich daran arbeiten, dass der Emissionshandel funktioniert, dass er nicht unterlaufen wird. Aber im Prinzip ist es der richtige Weg.«
    »Können wir unseren steigenden Energiebedarf mit erneuerbaren Energien decken?«
    »Das ist nicht die Frage, denn das geht. Die entscheidende Frage ist, wie wir aus den alten Strukturen
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