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Das Leben ist eine Oeko-Baustelle

Das Leben ist eine Oeko-Baustelle

Titel: Das Leben ist eine Oeko-Baustelle
Autoren: Christiane Paul
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Kassandra, so nennt man seltsamerweise dennoch nicht eine weise Frau, auf die man mal besser hören sollte, sondern eine Unke und Miesmacherin. Mein Eindruck ist, dass manche Menschen die Klimawissenschaftler genauso sehen.
    Ja, sagt Levermann, diese Reaktion erfahre er auch.
    »Aber wenn man den Kassandra-Vorwurf bekommt, kann man zumindest darauf hinweisen, dass Kassandra nichts konnte für das, was dann eingetreten ist, aber recht hatte sie doch mit dem, was sie prophezeite.«
    Wenn ich schon mal mit einem Klimawissenschaftler spreche, dann möchte ich mir zunächst aus seiner Sicht die Grundlagen erklären lassen. »Wie erklären Sie in einem Satz, was Klimawandel ist, Herr Levermann?«
    »Klimawandel gibt es schon immer; damit meine ich natürlichen Klimawandel. Das Neue ist der menschengemachte Klimawandel, das ist die Veränderung der globalen Mitteltemperatur und damit des ganzen Klimasystems durch den Ausstoß von Treibhausgasen, hauptsächlich und zu 60 Prozent Kohlendioxid, dann Methan und Lachgas.«
    Der natürliche Treibhauseffekt ist eigentlich etwas Gutes und notwendig für das Leben auf dem Planeten Erde. Das größte und wichtigste natürliche Treibhausgas ist Wasserdampf. Aufgrund der Treibhausgase in der Atmosphäre kann die kurzwellige Sonneneinstrahlung zwar ungehindert Richtung Erdoberfläche passieren, die langwellige Wärmestrahlung der Erdoberfläche wird hingegen reflektiert. Wie im Treibhaus sorgt das für die richtige Temperatur. Ohne Treibhauseffekt wäre die Erde viel zu kalt für uns.
    Was ist das Problem am steigenden CO 2 -Ausstoß unserer Industriegesellschaften?
    Durch die hohe Konzentration an menschengemachten Treib hausgasen in der Atmosphäre kann die Erde zu wenig Energie in den Weltraum zurückstrahlen. Teile der abgestrahlten Energie werden wieder zur Erde zurückgeworfen, wodurch sich die Erdoberfläche im Vergleich zur Situation ohne menschengemachte Treibhausgase erwärmt. In den letzten hundert Jahren hat sie sich dadurch um 0,7 bis 0,8 Grad erwärmt.
    Levermann sagt: »Eine wärmere Oberfläche strahlt auch mehr ab – wie eine Heizplatte: Man stellt sie an, und sie strahlt Wärme ab. Jeder Körper strahlt Energie ab entsprechend seiner Temperatur. Das ist eine Grundeigenschaft jeder Materie. Um im Gleichgewicht zu sein, muss sie immer so viel abstrahlen, wie sie aufgenommen hat. Das kann die Erdoberfläche nur, indem sie sich erwärmt. Wenn wir weiter CO 2 ausstoßen, werden Treibhausgase in der Atmosphäre angehäuft, und die Erde wird sich entsprechend weiter erwärmen.«
    Ich frage: »Vor der Industrialisierung war die Erde im Gleichgewicht?«
    »Im Großen und Ganzen: ja. Die Sonneneinstrahlung wurde in der Atmosphäre ein bisschen hin- und hergeschubst, kam dann auf die Erde, die die richtige Temperatur hatte, um die gleiche Menge an Strahlung, die die Sonne hereinbrachte, wieder herauszuschicken. Durch dieses Gleichgewicht hatten wir 10 000 Jahre lang keine Erwärmung. Jetzt haben wir die Treibhausgase erhöht, jetzt sind wir aus dem Gleichgewicht, und das können wir auch tatsächlich messen.«
    »Was messen Sie genau?«
    »Wir sehen, dass mehr Sonnenstrahlung durch die Atmosphäre hereinkommt, als wieder hinausgeht.«
    Er erklärt: Relevant für die Erwärmung ist nicht der CO 2 -Ausstoß, den wir produzieren, sondern was davon in der Atmosphäre landet. Das ist etwa die Hälfte des produzierten CO 2 . Die andere Hälfte übernehmen die Ozeane.
    Obwohl ich im Thema bin und mich vorbereitet habe, finde ich so ein Gespräch mit einem Klimawissenschaftler nicht ganz einfach. Etwa, wenn es um die Bedeutung der Aerosole für den Klimawandel geht. Oder wenn Levermann mit großem Schwung etwas auf eines der vielen weißen Blätter malt, die er vor sich hingelegt hat.
    Manchmal traue ich mich und sage: »Das verstehe ich jetzt nicht.«
    Dann erklärt er es noch mal oder er sagt: »Das müssen Sie auch nicht verstehen.« Er sei abgeschweift.
    Einmal sagt er: »Das ist die größte Barriere in Ihrem Kopf, dass Sie denken, dass ich denke, dass Sie dumm sind.«
    Ich sehe ihn an und frage: »Und – tun Sie das?«
    »Das denke ich nicht, nein«, antwortet er.
    Die Weltklimakonferenz 2010 in Cancún ging mit der Übereinkunft von 190 Ländern zu Ende, ihr Handeln an dem Ziel zu orientieren, dass die Erwärmung der Erde auf maximal zwei Grad gegenüber vorindustriellem Niveau begrenzt bleiben wird. Längst ist die Frage nicht mehr nur: Wo bleibt das Handeln? Sondern auch: Geht
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