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Das Leben ist eine Oeko-Baustelle

Das Leben ist eine Oeko-Baustelle

Titel: Das Leben ist eine Oeko-Baustelle
Autoren: Christiane Paul
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Extreme verstärken, es im trockenen Mittelmeerraum immer trockener wird und sich der Wald leichter entflammt.
    »Das Unkalkulierbare ist das Problem. Deshalb ist es problematisch, eine Gradzahl zu nennen und genau anzugeben, was bei dieser Gradzahl passieren wird, das bei einer anderen Gradzahl nicht passieren wird.«
    Levermann ist vom »Contributing Author« des letzten IPCC-Berichts nun zu einem der Hauptautoren des kommenden Berichts aufgestiegen. Davon gibt es nicht 2 000, sondern nur noch 600, die in den drei Arbeitsgruppen Grundlagen – da ist er –, Folgen und Lösungen arbeiten. Der PIK-Chefökonom Ottmar Edenhofer ist der Chef der Arbeitsgruppe Lösungen.
    Das Prinzip sei, dass es sich eben nicht um einen erlauchten, sondern einen großen Kreis handle, der »alles reflektiert, was die Klimacommunity glaubt, belegen zu können.« Er gebe damit den aktuellen Stand der Klimaforschung wieder, sei aber dadurch auch »maximal abgeschmirgelt«, also sehr vorsichtig formuliert.
    Levermann ist Jahrgang 1973, verheiratet, hat zwei Kinder, einen Sohn, 7 Jahre alt, und eine Tochter mit 4. Er lebte während des Studiums in der hessischen Unistadt Marburg in einem klas sischen Ökoumfeld des 20. Jahrhunderts. Das Gemüse wurde direkt vom Bauern geholt, es wurde kalt geduscht, um Energie zu sparen bzw. grundsätzlich möglichst wenig zu verbrauchen. »Minimal impact« nennt er die damalige Prämisse: minimale Auswirkungen verursachen. Das galt als Ausweis eines verantwortungsbewussten Lebens und hat in gewisser Weise auch für den Umgang mit anderen Menschen gegolten: Sein Ziel war damals, sich möglichst weit zurückzunehmen, um den anderen den Raum nicht zu nehmen, sondern zu überlassen, speziell den Frauen der Gruppe, speziell auch in Diskussionen. Das sei »so eine Softiebewegung« gewesen, meint er und lächelt.
    Dann ging er während des Zivildienstes nach Israel und merkte, dass es dort als Affront galt, sich derart zurückzunehmen. »Da wurde gesagt: Was willst du denn? Du nimmst dich zurück und erwartest, dass ich Rücksicht auf dich nehme? Das ist auch eine Art von Dominanz. So ist das auch nicht richtig. Jeder kämpft gleichberechtigt für sich. Rücksicht wird dann genommen, wenn einer aus Gründen schwächer ist, die nichts mit der Sache zu tun haben. Das ist vom Grundsatz eine wesentlich gerechtere Rangehensweise.«
    Als er zurückkam, hatte er seine Haltung geändert – und damit auch das Denken über die persönliche Verantwortung in der Klimafrage. Lervermann will Verantwortung übernehmen, aber nicht dadurch, dass er seinen ökologischen und jede andere Art von Fußabdruck möglichst klein hält und ansonsten den lieben Gott einen guten Mann sein lässt.
    »Möglichst wenig Raum einnehmen ist ein Akt gegen diese Ellbogengesellschaft. Das müssen wir im Kopf behalten, aber nicht gleichzeitig Verantwortung ablehnen. Denn das ist das Nächste, was man tut, wenn man sich wegduckt.«
    Dazu gehört auch die Bejahung von Hierarchie:
    »Wenn ich glaube, einen Beitrag leisten zu können, dann will ich das auch tun, und das heißt eben auch, Verantwortung zu übernehmen und eine Gruppe zu leiten.«
    Oder: »Wenn ich vor 700 Wirtschaftsvertretern spreche und möglichst wenig Raum einnehmen will – das geht nicht!« Dann muss er raumfüllend auftreten, um die Kollegen, aber auch die Manager zu erreichen. Und er will möglichst viele erreichen. Deshalb fliegt er auch durch die Gegend.
    Ich frage ihn: »Es ist doch gut, wenn ein Mensch aus Einsicht seinen persönlichen Energieverbrauch optimiert. Darum geht es doch – oder nicht?«
    »Ja. Aber der Gedanke eines niedrigen ökologischen Fußabdrucks darf nicht dazu führen, dass man seinen Einfluss auf die richtige Sache verringert.«
    »Die Entscheidung, weniger und möglichst erneuerbare Ener gie zu verbrauchen, entsteht doch aus dem Gedanken, damit Verantwortung zu übernehmen.«
    »Ja. Aber wenn man mehr als individuelle Verantwortung übernehmen will, dann bedeutet das eben auch, Raum einzunehmen.«
    Er erzählt die Geschichte eines Künstlers, der nicht fliegt, sich dem Medienbetrieb verschließt und nicht einmal materielle Zeugnisse seiner Kunst hinterlässt, sondern nur Aktionskunst macht. Dieser Künstler sei wichtig, weil er durch seinen Purismus für bestimmte Menschen ein Vorbild sei. Allerdings nur für wenige. Massenwirkung könne er als Held jenseits der Medienwelt nicht haben. Dafür brauche es andere Modelle.
    Wir reden über den
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