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Das Leben ist eine Oeko-Baustelle

Das Leben ist eine Oeko-Baustelle

Titel: Das Leben ist eine Oeko-Baustelle
Autoren: Christiane Paul
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unserer Energiewirtschaft in die neuen Strukturen kommen.«
    »Und was ist mit der sozialen Gerechtigkeit? Umweltschutz muss man sich leisten können, heißt es gern, Bio- und Ökoprodukte seien etwas für Besserverdienende.«
    Levermann: »Auch die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende Mer kel redet im Rahmen des Klimaproblems über die Bekämpfung der Armut. Aber wenn wir den Klimapfad einschlagen, reden wir über unglaubliche Finanzströme aus der industrialisierten Welt in die Entwicklungsländer, die sich aus dem Emissionshandel ergeben. Das heißt: Wir kriegen gleichzeitig eine Umverteilung hin von den Ländern mit hohem Ausstoß und hoher Produktivität hin zu ärmeren Ländern.«
    Die Klimawissenschaftler haben in den letzten Jahren ihre Rolle etwas verändert, was die Verantwortung für das von ihnen ermittelte Wissen angeht. Teils freiwillig, teils, weil Teile der Gesellschaft sie dazu gedrängt haben, haben sie sich aus ihrer Wissenschaftsecke herausgetastet. Mit dem Ergebnis, dass sie nun noch stärker in der Kritik stehen. Der Karlsruher Philosoph Peter Sloterdijk sagt, sie seien inzwischen »in die Rolle von Reformatoren« geraten. Sie forderten Verzicht, Selbstbeschränkung, einen »klimatischen Sozialismus« gar und eine »Umkehrung der bisherigen Zivilisationsrichtung«, die weiter reiche »als die Reformationen des 16. Jahrhunderts, die immerhin die Regeln des Verkehrs zwischen Himmel und Erde revidiert haben«. Für Sloterdijk sind wir in den »Anfängen einer meteorologischen Reformation«, die »illusorisch« sei und böse enden könne.
    Er fürchtet, dass das 21. Jahrhundert »als ein Jahrmarkt der Erlösereitelkeiten in die Geschichte eingehen wird, an dessen Ende sich die Menschen nach Erlösung von der Erlösung und Rettung von den Rettern sehnen werden«. Dass der Mensch eine zivilisatorische Umkehr hinkriegt, scheint Sloterdijk für ausgeschlossen zu halten. Eine Lösung sei allenfalls technisch zu erreichen.
    Sloterdijks Gerede von den Verzichtpredigern sei Denken des letzten Jahrhunderts, sagt Levermann. »Wir sind keine Verzichtprediger. Wir müssen das System umstellen auf ein qualitativ besseres und im Übergang Wohlstand und Lebensqualität möglichst erhalten, auch wenn sich das, was die Leute mit Wohlstand und Lebensqualität verbinden, verändern muss.«
    Wie sieht Levermann die öffentliche Rolle des Wissenschaftlers?
    Das sei schwer. Wissenschaftler seien in der Regel keine Kommunikationsexperten. Was Wissenschaftler aber auszeichne, sei ihre Leidenschaft dafür, Fragen zu stellen, Antworten zu suchen und dabei Neuland zu betreten. »Man wird für die Suche nach etwas Neuem ausgesucht, das macht die Wissenschaft zu einer sehr unruhigen Sache.« Wissenschaftler könnten introvertiert sein, aber Passivität sei für sie nicht vorgesehen. Keinesfalls will er sich selbst in einer passiven Rolle sehen.
    Ich frage: »Was macht der Wissenschaftler, um gehört zu werden, um Wirkung zu erzielen?«
    »Das ist eine gute Frage«, sagt Levermann. »Gibt man nur gesicherte Erkenntnisse raus? Relativiert man, indem man sagt: ›Das ist nur ein Klimamodell‹, oder sagt man: ›Das ist robust‹? Macht man kernige Aussagen?«
    Es gebe Kollegen, die klar sagten: Ich rede nur über Dinge, für die ich Experte bin, über die ich wissenschaftlich publiziere und die als gesichert gelten.
    Er selbst verlasse auch mal den wissenschaftlich fundierten Ort und begebe sich in den Meinungsbereich; das mache er dann aber kenntlich.
    Das Problem für ihn ist, dass man mit dem, was wissenschaftlich gesichert ist, gerade die größten Gefahren der Zukunft nicht im Blick hat: die schnellen und drastischen Veränderungen. Das Problem ist, dass man bestimmte Sachen zwar mit guten Gründen annehmen kann, aber nicht wissenschaftlich fundiert vorhersagen. Zum Beispiel: Kein einzelnes Wetterereignis kann wissenschaftlich auf den globalen Erwärmungstrend zurückgeführt werden. Daher ist der IPCC-Bericht als Ganzes aus Wissenschaftlersicht zwar sehr seriös, aber möglicherweise dennoch unzureichend. Levermann gibt ein einfaches Beispiel: Wenn man sagt, dass bestimmte Dinge wahrscheinlich nicht passieren, nehmen das die Zuhörer als Erleichterung und Entwarnung. Wenn man sagt, dass bestimmte Dinge passieren können, rücken sie zwar in den Bereich der Gefahr, allerdings einer, die man sich in seinem Innersten vom Leib halten kann: Es könnte ja auch nicht passieren.
    Reden wir über sein Fachgebiet und die Frage eines
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