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Das Leben ist ein Kitschroman

Das Leben ist ein Kitschroman

Titel: Das Leben ist ein Kitschroman
Autoren: Sophie Benning
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Story weiterging. Dabei hatte ich Frau Melzer versprochen, ihr das Exposé bis Montag zu schicken.
    Als ich am Sternplatz aus der Bahn stieg, stand mein Entschluss fest. Ich würde ins Eroscenter gehen und mich über Callboys im Allgemeinen und über einen im Besonderen erkundigen. Und zwar sofort, bevor mich der Mut wieder verlassen konnte.
    Der Einstieg wurde mir leicht gemacht: Vor der Tür traf ich eine der Frauen, die D-D mit Gummibärchen gefüttert hatte, und sie winkte mir fröhlich zu.
    »Na, ist deine Nichte wieder auf Abwegen?« Sie zupfte ihr hautenges Top zurecht und hielt mir die Eingangstür auf.
    »Nein, ich wollte mich bei euch mal nach Callboys erkundigen.«
    »Sexueller Notstand, Süße?« Neckisch zog sie beide Brauen hoch.
    »Nein, nur Recherche«, sagte ich. »Ich schreibe an einem Roman, in dem so ein Typ vorkommt.«
    Oh Mann, das klang wirklich an den Haaren herbeigezogen.
    »Da unterhältst du dich am besten mit Gitti«, sagte die Frau. Sie hakte sich bei mir unter und führte mich zu einer drallen Blondine, die hinter einer Theke im Eingangsbereich saß. »Die hatte mal was mit einem.«
    »Was hatte ich mal mit wem?« Gitti, die die fünfzig schon überschritten hatte, drückte ihre Zigarette aus.
    »Was mit einem Callboy«, erklärte ihre Kollegin. »Unsere Nachbarin aus dem Hinterhaus braucht dazu ein paar Infos. Da bist du doch die richtige Adresse, oder?«
    »Mhh.« Gitti klopfte auf den Hocker neben sich. »Setz dich schon mal. Ich bin gleich wieder da.«
    Ich tat, wie geheißen und sah mich im Foyer um. Auch hier gab es jede Menge Grünpflanzen in großen Kübeln und es sah aus wie in einem orientalischen Märchen.
    Ich machte mir schon Gedanken, was ich tun sollte, wenn ein Kunde hereinkommen würde, als Gitti mit zwei Gläsern Sekt zurückkehrte und sich neben mich setzte.
    »So redet es sich leichter«, sagte sie und stieß mit mir an. »Also, was willst du wissen?«
    Mist. Es wäre nicht dumm gewesen, wenn ich mir Block und Stift mitgebracht hätte, denn der Alkohol stieg mir langsam aber sicher in den Kopf. Daher fiel ich gleich mit der dringlichsten Frage ins Haus.
    »Kann man erkennen, ob einer als Callboy arbeitet? Und sind hier auch welche?«
    Gitti lachte. »Nein, den typischen Callboy gibt es nicht, Schätzchen. Jeder sieht anders aus und hat seine eigene Arbeitsweise.«
    Sie zündete sich eine neue Zigarette an. »Ich kannte mal einen, von dem ich jahrelang dachte, er wäre Versicherungsvertreter. Bis mein Ex mir erklärte, dass das ein Kollege von ihm ist. Ein heißer Kollege, wenn man der Kundschaft Glauben schenken darf.«
    Oha. Das machte die Sache nicht leichter.
    »Eigentlich sehen nur die wenigsten aus wie ein Topmodel«, fuhr sie fort. »Den Frauen ist es viel wichtiger, dass die Männer gepflegt aussehen, und das kann man ja nachvollziehen, oder?«
    Ja, da würde ich schon viel Wert drauf legen, wenn ich mit einem völlig Fremden ins Bett steigen sollte.
    Gitti sah mich von der Seite an. »Und wie war die zweite Frage?«
    Ich trank eine Schluck Mut-mach-Sekt. »Ob man hier auch diesen Service ordern kann.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Kann schon sein, dass sich mal einer hier aufhält, aber was sollen sie hier groß? Die guten haben ihre Stammkundschaft und sind über das Handy erreichbar.«
    Plötzlich hörte ich die tiefe Stimme von Mr Sex-Pur: Wie du weißt, habe ich einen Ruf zu verlieren und kann es mir nicht leisten, dass meine festen Kunden abspringen.
    Oh Gott, das passte also wie die Faust aufs Auge.
    »Und welche Voraussetzungen sollte man sonst noch so mitbringen bei diesem Job?« Ich hörte, wie meine Stimme dünn und fipsig wurde.
    Gitte grinste. »Es ist natürlich nicht verkehrt, wenn man richtig gerne mit jemandem ins Bett geht. Und ansonsten ...« Sie zog an ihrer Kingsize-Zigarette. »Menschenkenntnis, würde ich sagen. Ausreichend Zeit, um die Anfragen wahrnehmen zu können und genügend Selbstbewusstsein, um mit der gesellschaftlichen Tabuisierung umzugehen.«
    Wieder die Stimme: Ich mache was Solides, kannst du das nicht endlich mal einsehen! Und ich mag meine Arbeit!
    »Und machen diese Männer diesen Job fulltime oder eher nebenbei?«
    »Mal so, mal so«, sagte Gitti. Sie trank ihr Glas leer und sah mich fragend an. »Möchtest du noch einen Schluck?«
    »Nein, danke!« Ich rutschte vom Hocker und klemmte meine Tasche unter den Arm. »Ich mach mich jetzt erst mal an meinen Text.«
    »Ist recht, Schätzchen. Wenn du noch Fragen hast, weißt
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