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Das Leben ist ein Kitschroman

Das Leben ist ein Kitschroman

Titel: Das Leben ist ein Kitschroman
Autoren: Sophie Benning
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verständnislos über den Rand ihrer Lesebrille an. »Warum sollte er? Charlotte, wir sind eine Familie von Anwälten und Steuerexperten. Das war schon immer so und ich wüsste nicht, warum wir diese Tradition über Bord werfen sollten.«
    »Wir sind nicht nur eine Familie von Anwälten und Steuerexperten.«
    »Aber natürlich! Deine Großväter waren in dieser Branche tätig, dein Vater und seine Brüder sind es, deine Schwester, dein Schwager, deine Mutter und du bist auch bald mit dabei.«
    »Mich solltest du aus dieser Reihe streichen.«
    Oh Gott, hatte ich das nur gedacht oder den Satz auch laut ausgesprochen?
    »Wie bitte?!«
    »Ich werde die Stelle bei Krause nicht antreten. Ich habe andere Pläne.«
    Meine Mutter sah mich ungläubig an. »Du hast was?«
    »Andere Pläne. Ich, äh, ich habe ein ganz tolles Angebot bekommen und werde in Zukunft schreiben.«
    »Schreiben?« Sie spuckte das Wort regelrecht aus.
    »Ich habe schon eine erste Story an eine Illustrierte verkauft und sie wird nächste Woche gedruckt!« Ich fuchtelte nervös mit den Händen umher. »Und da einer der festen Autoren momentan ausfällt, haben sie mir dessen Arbeit auch noch angeboten. Ich werde einen Fortsetzungsroman schreiben, mit einem ganz neuen Konzept, und es kann gut sein, dass sie den ...«
    »Fort-set-zungs-ro-man?«
    Ihr Ton ließ mich zusammenzucken.
    »Na ja, am Anfang ist das sicher nicht die Welt, aber es macht mir total Spaß, und ich meine, ich ...«
    Am Hals meiner Mutter wurden erste rote Hektikflecken sichtbar. »Und für diesen Schund bist du bereit, dein Leben wegzuschmeißen?«
    »Mama, ich schmeiß mein Leben nicht weg. Ich mache nur das, was ich wirklich machen möchte.«
    »Das fällt dir ja reichlich früh ein«, zischte sie. »Und hast du dir bei all diesem Spaß auch mal Gedanken gemacht, wie dein Vater und ich bei alledem dastehen? Was sollen wir Dr. Krause sagen?«
    »Ihr müsst gar nichts«, begann ich tapfer. »Ich werde Herrn Krause persönlich erklären, warum ich ...«
    »Und hast du dir auch genau überlegt, wie diese Lücke in deinem Lebenslauf aussehen wird?« Mit ihrer Stimme hätte sie Gletscher zu Eiswürfeln verarbeiten können.
    »Es wird keine Lücke geben.« Plötzlich verschwand meine Nervosität und ich wurde ungehalten. »Ich habe beschlossen, meinem Leben eine andere Wendung zu geben. Und soweit ich informiert bin, stellt das keine Strafhandlung dar.«
    Ich hatte nicht geplant, ihr das heute alles schon zu stecken, aber ich spürte, wie es mir endlich besser ging. Der Knoten, den ich seit Wochen im Magen gespürt hatte, löste sich auf, nachdem ich meine Entscheidung laut und deutlich ausgesprochen hatte. Meinetwegen konnte meine Mutter mir hier eine Szene machen, dass die Wände wackelten, sie hatte mir das Leben geschenkt! Und damit basta.
    »Charlotte ... « Ihr Ton änderte sich plötzlich. »Ich weiß nicht, was alles in dir vorgeht. Aber solltest du professionelle Hilfe in Anspruch nehmen wollen, werden wir alles tun, damit du die auch bekommst, hörst du? Geld spielt dabei keine Rolle. Jeder hat mal eine Krise in seinem Leben, und es ist kein Grund sich zu schämen, wenn man damit nicht alleine fertig wird.«
    Moment mal!
    »Mama, ich habe weder eine Krise noch bin ich unzurechnungsfähig. Ich habe lediglich herausgefunden, dass ich keine Lust habe, mich mein Leben lang mit Steuererklärungen zu beschäftigen.«
    »Ganz wie du meinst.« Meine Mutter raffte ihre Sachen zusammen und stand auf. »Ruf mich an, wenn du es dir anders überlegt hast.«
    Als das Getuschel an den umliegenden Tischen wieder verstummt war, winkte ich dem Kellner und bestellte mir zur Feier des Tages ein Glas Champagner. Vielleicht hatte ich mich nicht als Weltmeister in Fingerspitzengefühl benommen, aber wer bereits Kinder im Embryostadium beruflich verplante, hatte nicht mehr Rücksicht verdient.

32
    Nach dem zweiten Glas Champagner verließ ich das Lokal und hielt mein Gesicht in die Frühlingssonne. Ich hatte keine Ahnung, wie ich den Krach mit meiner Mutter wieder beilegen konnte, aber im Augenblick war mir das herzlich egal. Ich fühlte mich sorglos und frei und beschloss, sofort Nägel mit Köpfen zu machen, denn ich hatte keine Ahnung, wie lange dieser Zustand noch vorhalten würde.
    Ich kaufte mir an einem der Stände ein Bratwurstbrötchen und machte mich kauend auf den Weg zur U-Bahn.
    Zwar wusste meine Mutter nun über meine Plane Bescheid, ich hatte aber immer noch keine Ahnung, wie es in meiner
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