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Das Leben, das uns bleibt (German Edition)

Das Leben, das uns bleibt (German Edition)

Titel: Das Leben, das uns bleibt (German Edition)
Autoren: Susan Beth Pfeffer
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ihn gab, weil ich ihn so sehr vermisste. Und weil seine Schwester hilflos im Wintergarten lag, während wir hier über ihren Tod sprachen.
    Alex hatte an ihren Tod gedacht. Er hatte sich darauf vorbereitet. Er hatte etwas akzeptiert, das ich noch nie hatte akzeptieren müssen: dass vielleicht irgendwann ein Moment kommen wird, wo der Tod dem Leben vorzuziehen ist, und dass er dafür verantwortlich war, diesen Moment zu erkennen und dann aus Liebe das Richtige zu tun.
    Er hatte Julie vor allem deshalb nicht in der Obhut von Dad und Lisa lassen wollen, weil sie, sosehr sie sie auch liebten, nicht ihre Familie waren. Aber als ich eingewilligt hatte, Alex zu heiraten, war ich Julies Familie geworden. Deshalb hatte Alex mich gebeten, sein Messbuch zu holen. Er wusste, dass er sein Leben riskierte, wenn der Tornado ihn erwischte. Deshalb hatte er mir seine einzigen Besitztümer von Wert anvertraut: die Passierscheine und die Tabletten.
    Das alles fiel mir ein, während ich die Trümmer beiseiteschaffte, jede einzelne dieser Überlegungen, dieser Feststellungen. Und als ich sie erst mal im Kopf hatte, wurde ich sie nicht mehr los, wie diese Albträume, die ich gehabt hatte. Immer wieder gingen sie mir durch den Sinn, bis ich mich endlich mit der Wahrheit abfand. Alex war nicht mehr da. Und ich war für Julie verantwortlich, sonst niemand.
    Ich weiß nicht, wie spät es war, als Mom mich nach Hause schickte, um Matt abzulösen und selbst ein bisschen zu schlafen. Ich weiß nur noch, dass wir schon bei Taschenlampenschein arbeiten mussten und der Himmel so klar war, dass man den Vollmond durch die Aschewolken erkennen konnte.
    Ich stolperte im Dunkeln nach Hause, vor Erschöpfung konnte ich kaum noch geradeaus gehen. Matt schlief noch, und ich weckte ihn nur ungern, aber wir brauchten jeden, der mit anfassen konnte. Er sagte kein Wort, als ich ihn wach rüttelte, nickte mir nur zu und ging los.
    Ich hob Julies Decken an, um nachzusehen, ob sie umgezogen werden musste, aber sie war noch trocken. Ich hatte gehofft, sie würde weiterschlafen, aber als ich sah, wie sie die Augen aufschlug, fragte ich sie, ob sie noch etwas brauchte.
    »Nein«, sagte sie. »Matt hat mir etwas zu essen und zu trinken gebracht. Ich wünschte nur, Alex wäre hier.«
    Ich streichelte ihr Gesicht. »Alex hat dich lieb«, sagte ich. »Und wir anderen auch, wir alle haben dich lieb.«
    »Ich würde Lisa und Gabriel so gerne sehen«, sagte Julie. »Und Charlie. Charlie bringt mich immer zum Lachen.«
    Julie fing an zu husten und ihr ganzer Körper bebte.
    Ich hob sie ein wenig an, so dass sie in eine etwas aufrechtere Position kam, und lehnte sie mit dem Kopf gegen meine Schulter, bis der Husten nachließ. Es lagen schon drei Kissen unter ihrem Kopf, aber ich fragte sie, ob sie noch eins brauchte. Sie verneinte.
    »Du siehst aus wie die Prinzessin auf der Erbse«, sagte ich. Auch wenn ich dem, was ich tun musste, nicht entkommen konnte, war ich doch froh über jede Stunde, jede Minute, die es sich noch hinausschieben ließ. Im Stillen habe ich sogar noch gehofft, Alex käme vielleicht plötzlich reingeschneit und Julie wäre auf wundersame Weise geheilt.
    Aber ich hoffte jetzt schon seit über einem Jahr auf irgendwelche Wunder. Und so lange ich auch gewartet hatte, noch eine Stunde, noch eine Minute, sie waren nie eingetreten.
    »Was ist die Prinzessin auf der Erbse?«, fragte Julie.
    »Das ist ein Märchen«, sagte ich. »In dem es darum geht, woran man eine echte Prinzessin erkennen kann. Dazu muss man ihr eine Erbse unter vierzig Matratzen legen, und wenn sie die noch spürt, dann ist sie eine richtige Prinzessin.«
    »Wie kann man eine Erbse nur so verschwenden«, sagte Julie.
    »Als dieses Märchen entstanden ist, war das noch anders«, sagte ich. »Da hatte man noch Erbsen übrig.«
    Julie kicherte.
    »Hat deine Mutter dir Märchen erzählt?«, fragte ich. »Als du klein warst?«
    »Nein«, sagte Julie. »Aber sie mochte immer gern die Heiligengeschichten, die wir in der Schule gelernt haben. Die haben wir ihr dann weitererzählt. Johanna von Orléans fand ich immer am besten. Über die habe ich mal ein Referat gehalten.«
    »Ich wusste gar nicht, dass sie eine Heilige war.«
    »War sie aber«, sagte Julie. »Die Schutzheilige der Soldaten.«
    »Also auch die Schutzheilige von deinem Bruder Carlos«, sagte ich.
    »Kann sein«, sagte Julie. »Aber vielleicht haben die Marines auch einen anderen. Carlos sagt, die Marines sind was Besseres als die
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