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Das launische Eiland.

Das launische Eiland.

Titel: Das launische Eiland.
Autoren: Andrea Camilleri
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dürfen nur meine Verwandten und meine Kinder sagen«, und er legte besonderes Gewicht auf das letzte Wort. »Du mußt ›Sie sind‹ sagen, wie alle Diener und wie du, der du ein Diener bist, es zu halten hast.«
      Die erste Abenddämmerung brach herein, das Schlechtwetter verzog sich, so wie es gekommen war, nur die Bruchstücke von Regenrinnen, die von den Dächern geflogen waren, und die paar Wasserpfützen auf den Straßen erinnerten an das, was geschehen war. Eine nachhaltigere Erinnerung würden die acht Überlebenden der »Tomorow« mit sich nehmen, die aneinandergedrängt in einem großen Raum im Rathaus lagen; die Fischer aus Vigàta hatten in einem wahren Wettstreit untereinander Hanfdecken zum Einwickeln sowie warme Speisen und Wein für sie gebracht. Bei den zehn, die in der kleinen Kirche aufgereiht waren und warteten, daß die zwei Oberschreiner des Orts die Särge zusammengezimmert hatten, und den anderen acht, die auf See verschollen waren, war es keine Frage des Erinnerns mehr, weder an diesen noch an andere Tage.
    Apropos Erinnerungsvermögen, alle in Vigàta wußten, daß Don Totò es darin mit einem Elefanten aufnehmen konnte. Einen Vorgeschmack darauf bekam man eine Stunde nach Untergang des Schiffes. Der ellenlange Tano mit den gebeugten Schultern, »das Grab«, schritt langsam die Via Crucis ab, die Nenè Barbabianca am Morgen blutspuckend und sich in den Boden schämend zurückgelegt hatte. Selbst wie der leibhaftige Tod aussehend, ging er im Rhythmus der Totenglocken von Lager zu Lager, verzog den Mund zu einem Grinsen – so war es ihm ausdrücklich aufgetragen worden – und sagte zu den Lagerbesitzern, die bei seinem Anblick ihr Ende nahen fühlten, einen einzigen, knappen Spruch, immer den gleichen, der jedoch lang genug war, daß sich sein Gesicht verfinsterte und in hundert Falten legte, während er deutlich die einzelnen Silben betonte: »Don Totò erweist Ihnen seine Aufmerksamkeit und seine Verehrung. Da ihm das Schicksal hold war, veranstaltet er am kommenden Sonntag ein Fest in seinem Haus. Euer Ehren sind eingeladen, Don Totò zu beehren.«
      Die Lagerhalter ergingen sich in Glück- und Segenswünschen und versicherten, daß sie bei dieser Gelegenheit nicht fehlen würden, und nur ein unmittelbarer Tod könnte sie eines solchen Vergnügens berauben.
      Nur Don Ciccio Lo Cascio, der mit einem Schlag, kaum war die »Tomorow« auf die Sandbank aufgelaufen, allein auf weiter Flur stand als hätte er eine ansteckende Krankheit, schlugen alle, wenn er vorüberging, die Augen nieder –, hatte ermessen, wie tief der Graben seines Unglücks war, nur er blieb sich seiner treu und hatte den Mut, nein zu sagen.
      »Richte deinem Herrn meinen Dank aus. Ich hoffe, daß die Feier für ihn ein Erfolg wird. Aber sag ihm, daß ich ungern den Gifttod sterben würde.«

    »Das Bett ist eine herrliche Sache, schläft man nicht, dann ruht man darin«, sagt das Sprichwort, doch sie waren in großer Zahl, die weder schliefen noch ruhten.
    Ignazio Xerri war nach starkem Kamillentee endlich weggedämmert, riß jedoch gegen drei Uhr mit Schreien seine Frau aus dem Schlaf und behauptete, da wäre eine Katze mit Riesenaugen wie zwei Orangen, die ihn bei lebendigem Leib auffressen wollte.

    Pasqualino Patti wälzte sich unablässig im Bett, so daß Frau Teresina an einem bestimmten Punkt ihre Matratze nahm und sich in die Küche verzog.

    Nach Stunden des Hin und Her kleidete sich Michele Navarria angesichts der gefährlichen Situation picobello an, setzte sich, den Hut auf dem Kopf, ans obere Bettende und begann eine Litanei von Heiligenanrufungen aufzusagen, die bis zum Morgengrauen dauerte.

    Ciccio Lo Cascio legte nicht einmal seine Kleider ab, denn er wußte, daß ihn und die anderen Lagerhalter eine heilige Nacht erwartete (so werde ich mir wenigstens den Gefechtswind um die Nase wehen lassen), stellte sich ans Fenster und rauchte.

    Saverio Fede fielen vor Müdigkeit beinahe die Augen zu, aber er gab nicht auf: Zum hundertstenmal erzählte er seiner Frau, wie sich die Dinge zugetragen hatten und wie höflich er Nenè Barbabianca geantwortet hatte, daß er keinen Schwefel vorrätig habe und daß in dieser abschlägigen Antwort kein Hintergedanke stecke und daß die Barbabiancas ihm jetzt nicht böse sein konnten…
    »Wenn du ein reines Gewissen hast, warum nimmst du es dir dann so zu Herzen?« knallte ihm seine Gemahlin gegen vier Uhr früh an den Kopf, die beschlossen hatte, ihm eine Szene
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