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Das launische Eiland.

Das launische Eiland.

Titel: Das launische Eiland.
Autoren: Andrea Camilleri
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zu machen, da der Schlaf eh zum Teufel war.
    Auch ein Nichtlagerhalter wie Fonzio Vassallo erlebte eine heilige Nacht, denn um acht Uhr abends war er zusammen mit Padre Imbornone in den Palazzo Barbabianca gerufen worden. Sein Zeitvertreib war nämlich, auf Kupfer und Holz zu malen, und wenn die Besitzer der Kutschen Szenen aus der Geschichte der Paladine haben wollten, wandten sie sich stets an ihn. Und um Don Totò gegenüber sein Wort zu halten und ihm das Bestellte zu liefern, mußte Fonzio Vassallo auf sämtliche Schlafstunden verzichten.
    Auch Signora Heike tat nur so, als schliefe sie, denn es kam ihr vor, als sei das Bett voller Rippen und steinharter Noppen; kaum war sie eingeschlafen, träumte sie, daß sie in die Tiefe fiel, und jedesmal schreckte sie heftig auf, und die Augen aufschlagend blickte sie in die von Stefanuzzo, die vom Fieber und dem Widerschein der hundert Kerzen funkelten. Fest eingewickelt wie eine ricotta lag ihr Gatte auf die rechte Seite gedreht, den Ellenbogen aufs Kissen gestützt und die Hand unterm Kopf, und starrte sie unbeweglich an. Signora Heike zwang sich, Ruhe zu bewahren, doch innerlich wuchs ihre Angst von Minute zu Minute. Sie war sich beinahe sicher, daß Stefanuzzo nichts Genaues hatte erkennen können, doch warum nahm er dann seinen Blick nicht von ihr? Sie konnte ja nicht wissen, daß Stefanuzzo, als ihm nach der Selbstgeißelung die Szene auf dem Speicher wieder in den Sinn gekommen war und er sein besonderes Augenmerk auf einige Einzelheiten gerichtet hatte, mit Leib und Seele vor einem ganz bestimmten, unmißverständlichen Detail zurückgeschreckt war, als wäre er auf eine Viper gestoßen. Umgehend hatte er beschlossen, Gott als zweites Votum des Tages sein Stillschweigen über diese Begebenheit anzubieten: Nie mehr in seinem ganzen Leben würde er auf den Speicher steigen, während seine Frau Totuzzo dort unterrichtete. Doch er starrte sie weiterhin an, denn mit ihm ging gerade etwas Merkwürdiges vor, und allein daran zu denken, geschweige denn es auszusprechen, beschämte ihn. Vielleicht war es die Erleichterung über die ausgeschlagene Gefahr oder wegen der Peitschenhiebe, die er sich verabreicht hatte, vielleicht war es das Glücksgefühl über das erfahrene Wunder. Seine Frau war endlich eingeschlafen – er konnte seinerseits ja nicht wissen, daß Heike, anstatt ihre Aufregung durch ein ständiges Einnicken und Aufwachen zu verraten, sich lieber schlafend stellte –, und ihr Atem ging regelmäßig; die Rundung ihrer Hüften unterm Leintuch, die blonden Haare auf dem Kissen schürten den seltsamen Vorgang, den er sich nicht erklären konnte.
    »Heike?«
      Eisiges Schweigen von ihrer Seite. Die Stunde der Wahrheit war gekommen.
    »Heike?«
      Dieses Mal legte er seine Hand auf ihren Oberschenkel und rüttelte daran. Sie konnte sich nicht länger verstellen. Sich räuspernd klapperte sie mit den Augenlidern, als sei sie aus dem Schlaf gerissen worden, und drehte sich halb zu ihm um.
    »Was gibt's?«
    Stefanuzzo gab ihr keine Erklärung, und Heike war gezwungen, sich mit dem ganzen Körper umzudrehen. Unsinnigerweise wünschte sie sich, in diesem Moment Tausende von Kilometern fernab von Sizilien und ihrem Mann in der Schweiz zu sein. Doch das, was sich ihrem Blick offenbarte, machte sie sprachlos. Stefanuzzo hatte auf dem Rücken liegend das Leintuch zurückgeschlagen und zeigte genau an der Stelle, wo der Verband endete, auf einen stahlharten Pfahl, der so hart war wie noch nie, und Stefanuzzo selber beäugte ihn gewiß mit noch größerer Verwunderung als seine Frau.
      »Aber wird es dir nicht weh tun?« fragte diese und hielt sich zurück, ihn in die Hand zu nehmen, zu streicheln und zu küssen: Das war das Anzeichen dafür, daß, wie auch immer sich die Dinge entwickeln würden, die Geschichte vom Speicher keinen folgenschweren Verlauf genommen hatte. Sie beherrschte sich aber, denn sie hatte es bisher erst ein einziges Mal, damals, noch in der Schweiz, probiert, und Stefanuzzo hatte ihren Kopf brüsk beiseite geschoben und entsetzt ausgerufen: »Aber was machst du da? Bist du verrückt? Das sind doch Hurensachen!«
      »Wird es dir nicht weh tun?« fragte sie erneut, da Stefanuzzo weiterhin gebannt auf ihn starrte.
      »Nein, wenn du auf mich draufsteigst, nicht«, erwiderte ihr Ehemann.
    Und Heike gehorchte.
    Niemals hatte Stefanuzzo sich träumen lassen, es auf diese sündige Weise zu machen; sie machten es einmal im Monat, wenn er sich dazu
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