Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das launische Eiland.

Das launische Eiland.

Titel: Das launische Eiland.
Autoren: Andrea Camilleri
Vom Netzwerk:
aufraffen konnte, und dazu zog er nicht einmal das Nachthemd aus und verlangte, daß auch Heike das ihrige anbehielt. Dieses Mal aber, während Heike auf ihm ritt, bäumte er sich jammernd auf, zog sich das Hemd über den Kopf und dachte nicht im Traum daran, aus dem Bett zu steigen und die Operation auf halber Strecke abzublasen, um die Lichter auszumachen, wie er es die anderen Male stets getan hatte, während Heike in der Luft hing und, um das religiöse Gleichgewicht wiederherzustellen, im Geiste sämtliche Flüche auf deutsch ausstieß, die sie kannte. Nur zum richtigen Zeitpunkt sorgte sich Stefanuzzo darum, seinen Seelenfrieden durch eine Ejakulation zu bewahren, wie Padre Cannata es ihm beigebracht hatte: »Ich tu's nicht zum Vergnügen, sondern um Gott einen Sohn zu schenken.«

    In Vigàta gab es zwei Kirchen. Die ältere war die der Maria Immacolata aus unverputztem Tuffstein nahe beim Meeresufer. Es war dies nicht viel mehr als eine Kapelle, die von den Fischern des Dorfs eigenhändig gebaut worden war. Die andere war die Kathedrale auf der Piazza, eine richtige Kirche eben mit zwölf Treppenstufen und zwei Säulen am Eingang, der Glockenturm erhob sich jedoch nicht über das Dach, da Padre Imbornone behauptete, das Geld zu dessen Fertigstellung würde doch nie ausreichen, der Turm sei ein Loch ohne Boden.
    »Ohne Boden ist das Loch seiner Hurenweiber«, dachten die Fischer von Vigàta, behielten es aber für sich, denn die seine war die Kirche der Bürgersleut, und nie würden sie ihren Fuß hineinsetzen. Die kleine Kirche, die in jenem Augenblick voller toter Russen war, die die Fischer hergeschafft hatten, war die von Padre Cannata. Und so fanden am Morgen des 19. zwei Gottesdienste statt. Padre Cannata hielt die Messe und sprach danach nur wenige Worte, war er nun mal nicht so gebildet wie Padre Imbornone. Er beschränkte sich darauf, die Vigateser Fischer zu loben, nicht nur weil sie Menschenleben gerettet hatten, sondern auch wegen ihres Muts, bei dem Seegang draußen zu bleiben und die Toten zu bergen, damit sie nicht um ein christliches Begräbnis und eine Messe gebracht wurden. Er wisse nicht sagte er –, an welchen Gott diese Russen glaubten; zu den Särgen gewandt entschuldigte er sich bei denen, die darin lagen, daß er ihnen Gebete aufgezwungen habe, die ihnen in ihrem Wortlaut vielleicht gar nicht genehm waren, aber er kannte eben keine anderen. Nachdem er den Vigateser Frauen im Namen all der Mütter, Bräute und Töchter dort im fernen Rußland – einem Land, von dem er, ehrlich gesagt, nicht einmal wußte, wo es lag – für ihre aufrichtigen Tränen gedankt hatte, die sie für diese armen Teufel vergossen hatten, sprach er den Segen über die Särge. Darauf stemmten die Fischer sie auf ihre Schultern und trugen sie auf den Friedhof genau auf der Spitze des Hügels, von wo aus man den Blick aufs offene Meer hatte. Hinter ihnen gingen die acht Überlebenden, mit denen sich die Fischer mittlerweile mit Gesten und Mimik verständigten; auch der Kommandant Alessio Paruskin war darunter, der sich wegen seiner Beinverletzung auf Kapitän Caci stützte, dem er seine Rettung verdankte. Der hatte nicht gezögert, sich vom Boot aus ins Meer zu stürzen, und war endlose Minuten unter Wasser geblieben, um Paruskins Bein aus der Umschlingung einer Trosse zu befreien. Als die beiden dann an Bord gezogen wurden, wußte man nicht mehr, wer der Retter und wer der Gerettete war.
      »Bei solchen Gelegenheiten bedarf es keiner Verträge«, hatte Kapitän Caci gesagt, während er die Hände in die Taschen steckte, die der Kapitän Paruskin unbedingt küssen wollte.
    Die andere Messe wurde in der Kathedrale abgehalten – eine wahrhaftig feierliche Angelegenheit, die es wert ist, in allen Einzelheiten erzählt zu werden. Um zehn Uhr vormittags erschien Stefanuzzo Barbabianca inmitten zweier Flügel singender Meßdiener und einer Schar von Lagerbesitzern, Lagerburschen, Angestellten, alle in Begleitung der Frau Gemahlin, barfuß, eine brennende Kerze in der Hand, auf der Kirchenschwelle, um das letzte Gelübde einzulösen, das er abgelegt hatte. Den Kopf auf die Brust gesenkt, die Kerze in der Höhe, erreichte er den Hauptaltar, wo er sich zu pflichtgemäßem Gebet sammelte. Dann reichte er Padre Imbornone die Kerze und ließ sich, von Gebeten und Bewunderung der Anwesenden begleitet, auf dem Bauch zu Boden, streckte die Zunge zwei Handbreit heraus und leckte gründlichst den Dreck vom Fußboden auf, hin
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher