Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das launische Eiland.

Das launische Eiland.

Titel: Das launische Eiland.
Autoren: Andrea Camilleri
Vom Netzwerk:
Welt…«
      Ebendie konnten sie sich jetzt sonstwohin stecken – er, sein Bruder Gaetano und sein Vater. Es war aus mit ihnen, weg vom Fenster waren sie!
      »Es tut mir schrecklich leid, Don Nenè! Sie können sich gar nicht vorstellen, mit welchem Vergnügen ich Ihnen zu Diensten gewesen wäre. Aber zu allem Unglück haben wir gerade gestern eine volle Ladung herausgeben müssen, und das wenige, was uns geblieben ist, hat Pasqualino Patti abgeholt. Ach ja, jetzt kommt's mir – wieso versuchen Sie es nicht bei Patti?«
    Und wieder nimmt er die Beine unter den Arm und klappert ein Lager nach dem anderen ab wie eine Billardkugel, die an einer Bande abprallt und zur nächsten rollt. Die Antwort der Lagerhalter kennt er längst und ebenso ihren stummen Kommentar, den er am Aufblitzen in ihren Augen, an der plötzlich auftretenden Falte um ihren Mund ablesen kann: »Leck mich am Arsch, du und deine ganze Sippschaft!«
    Wegen der Hitze und der Rennerei sieht er fast nichts
    mehr, die Brillengläser sind beschlagen, sein Mund ist zusammengezogen wie eine Zitrone, sein Atem geht ganz schnell, und am liebsten würde er wie ein Hund die Zunge heraushängen lassen, aber das würde ihm auch keine Erleichterung verschaffen. Erleichterung bedeuten fünftausend Kantar Schwefelerde, die er unter allen Umständen auftreiben, sich von jemandem borgen – von wegen, nicht im Traum! oder kaufen muß.
      »Ich zahle jeden Preis, der Herr, Sie können das Gewicht in Gold aufwiegen…«
      »Aber mein guter Nenè, das ist doch keine Frage des Preises!«
      Indes geschieht, was geschehen muß, da hilft kein Schutzheiliger im Paradies: Der russische Dampfer »Iwan Tomorow«, der sechs Tage zuvor in See gestochen ist, würde, dem gnadenlosen Schicksal folgend, innerhalb von sechs, sieben Stunden im Hafen von Vigàta vor Anker gehen. Anstelle des Ankers hätten sie genausogut ihn mit einem Wackerstein um den Hals ins Wasser werfen können. Wort für Wort malt er sich die Unterredung mit dem Kapitän aus.
      »O mein Kapitän, Ihre Fahrt von Odessa hierher ist zu meinem größten Bedauern für die Katz gewesen.« (Es folgt ein russischer Satz des Kapitäns, der nicht den leisesten Furz verstanden hat und eine Erklärung verlangt.)
    »Ich möchte es Ihnen genauer erklären. Den Schwefel,
    den die Firma Jung in unserem Lager deponiert hat und den zu verladen Sie gekommen sind, haben wir weiterverkauft.« (Russische Schreckensäußerung des Kapitäns.)
      »Jawohl, der Herr, ganz richtig. An Dritte verkauft. Ich weiß sehr wohl, daß das Ihrer war. Und wir sehen uns auch nicht in der Lage, die Lieferung auszuführen; die Hundesöhne von Lagerhalterkollegen haben uns um keinen Preis unter die Arme greifen wollen und halten sich jetzt wahrscheinlich vor lauter Lachen die Bäuche. Seit Jahren schon warten sie gespannt wie die Flitzebogen, daß wir uns einen Fehltritt leisten, um es uns gründlich heimzuzahlen. Nun, diesen Fehler haben wir jetzt begangen.«
      Deswegen sähe er keinen Weg mehr, wie es weitergehen sollte, genausogut könnten sie wieder nach Odessa zurückkehren. Und viele Grüße an daheim! Im leeren Laderaum durften die Schiffsratten jetzt das Tanzbein schwingen. Wohingegen es für die Firma Salvatore Barbabianca & Söhne aus und vorbei war. Sie konnten dichtmachen. Keine Menschenseele weder zu Land noch zu See würde ihnen jemals noch ein Quentchen Vertrauen schenken. Ihnen ging der Arsch auf Grundeis.
    Währenddessen flitzt er durch die Gegend und sieht tatsächlich nichts mehr. Ob er Pflasterstein oder Sandstraße unter den Füßen hat, erkennt er immer nur am Widerhall der Schuhsohlen. Und mit jedem Nein, das man ihm entgegenschmettert, verbreitert sich die innere Kluft zwischen der Gewißheit, auf den sicheren Ruin zuzusteuern, und der Unmöglichkeit, das zu glauben. Er hat ein Hasenherz und spürt zugleich Löwenkräfte in seiner Brust. Auf der anderen Seite verweigert sich sein Inneres, Brust und Bauch ziehen sich zusammen, wie früher, als er noch grün hinter den Ohren war und sie ihm zur Blutreinigung eine Tafel Abführschokolade verpaßten. Es bleiben ihm noch drei oder vier Lager, und auch wenn er wie ein erschöpfter Gaul vor dem letzten in die Knie geht und die anderen glauben, er sei niedergekniet, um seiner Bitte größeren Nachdruck zu verleihen juckt ihn das nicht weiter. Ihn interessieren einzig und allein und auf Teufel komm raus die fünftausend Kantar Schwefel.

    Don Saverio Fede thronte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher