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Das launische Eiland.

Das launische Eiland.

Titel: Das launische Eiland.
Autoren: Andrea Camilleri
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verdammt noch mal wollen Sie eigentlich sagen, he? Erklären Sie sich genauer, wenn Sie den Mut dazu haben!«
    Padre Imbornone begriff, daß er ein Stückchen zu weit gegangen war, und brummelte etwas, das vielleicht wie eine Bitte um Entschuldigung klingen konnte, während Don Agostino Fiandaca sich mit allen Kräften bemühte, den Marchese zu beruhigen.
      »Ich begreife noch immer nicht«, meinte Lemonnier, den die Szene kaltgelassen hatte, denn er hatte sich längst ein dickes Fell bei solchen Streitereien zugelegt, die wie Feuerwerkskörper entbrannten und genauso schnell wieder erkalteten.
      »Das mit der Politik und dem ganzen Rest ist klar, aber so viel Geld zu scheffeln – der Barbabianca – wie hat er das nur geschafft?«
    »Durch Klauen.«
    Und dieses Mal war der Chor einstimmig.

    Zum erstenmal nach sieben Jahren, seitdem Don Masino Bonocore die Fensterläden wegen tiefer Trauer streng verschlossen hielt, ließ er durch einen Ritz zwischen den Holzlamellen einen Lichtstreifen ins Zimmer herein, der quer über den staubigen Schreibtisch fiel. Niemand im Haus war in der jüngsten Zeit verstorben. Gewiß, sein Sohn Santino hatte nach Mailand gehen müssen, um sich dort sein Brot zu verdienen, und, klopfen wir auf Holz, war gesund wie ein Fisch im Wasser und verdiente so viel, daß er seinem Vater jeden Monat ein paar Unzen und einige Tari schicken konnte; das in Lire umzurechnen schaffte er nicht. Doch der Dorn, der sich ihm vor sieben Jahren ins Herz gebohrt hatte, war ein schwerer Trauerfall gewesen, der ihm die Lust am Leben genommen hatte. Don Masino, gebeugt, mit dem Schal über den Schultern, obwohl es noch immer warm war, betrachtete den Schreibtisch, der in eine Licht- und in eine Schattenseite geteilt schien, den verrosteten Brieföffner, den umgekippten Tintentrockner, dessen Sand sich mit der dicken Staubschicht auf dem Tisch vermengt hatte, so daß man darauf gut auch mit dem Finger hätte schreiben können. Seit damals hatte er das Zimmer nicht mehr betreten wollen. Aber heute war vielleicht der besondere, von Gott gegebene Tag. Mit vorsichtigen Schritten, als ginge er auf Eis und habe Angst, sich das Genick zu brechen, näherte er sich dem Schreibtisch, setzte sich auf den Korbsessel, zog die erste Schublade auf der rechten Seite auf und nahm einen Durchschlag des Schreibens heraus, das schon manche gelbe Stockflecken hatte.

    Erlauchter Herr Direktor der Banca d 'Italia, die Firma Tommaso Bonocore in Vigàta hat sich vor nunmehr zwei Jahren infolge erlittener Rückschläge aufgelöst. Sie wendet sich heute an Euer Hochwohlgeboren mit der Bitte um eine gerechte Beilegung des Streitfalls mit dem, von Ihnen verwalteten Institut. Es ist bekannt, daß die Firma Tommaso Bonocore eine gute Marktstellung innehatte und unter wirtschaftlichem Aspekt äußerst solide war. Es ist ebenfalls bekannt, daß sich die Firma des Herrn Emanuele Barbabianca, Sohn des allseits bekannten Salvatore, der sich von dem väterlichen Betrieb entfernt hatte, um sich selbständig zu machen, in gefährlichen und turbulenten Strudeln bewegte; die Banca d'Italia (vormals Banca Nazionale) verlangte seinerzeit, um demselben zu Hilfe zu kommen, eine Wechselbürgschaft und die Unterschrift der Firma Bonocore, die mit Emanuele Barbabianca in engen verwandtschaftlichen Beziehungen steht, insofern dessen Gattin Tochter des Unterzeich nenden Tommaso Bonocore ist. Es ist bekannt, daß die mehrfach genannte Firma Bonocore sich dafür einsetzte, den Verwandten zu retten und das Bankinstitut vor Schaden zu bewahren. Das gleiche gegenüber einem so nahen Verwandten wie dem leiblichen Sohn zu tun hütete sich Salvatore Barbabianca, obwohl er Kapitalien, Guthaben, Immobilien und Umsätze vorzuweisen hatte, die weitaus größer waren als die einer armen, wenngleich ehrlichen Firma wie die des Unterzeichners. Doch da das Defizit des Herrn Emanuele Barbabianca bedeutend größer war, als im Hause Bonocore bekannt war, ergab sich daraus, daß dasselbe der Belastung nicht standzuhalten vermochte und in den Abgrund stürzte. Wer sich jedoch vor dem Ruin rettete, das war Emanuele Barbabianca, der sich dank unserer Garantien von sämtlichen Schulden freimachen konnte und merkwürdigerweise im Handumdrehen einen Weg fand, wieder unter den väterlichen Fittichen Zuflucht zu nehmen. Der Ruin der Firma und des Hauses Bonocore erfolgte in gutem Glauben. Die Firma übereignete ihr gesamtes Vermögen ihren Gläubigern, ließ zu, daß auf die wenigen
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