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Das launische Eiland.

Das launische Eiland.

Titel: Das launische Eiland.
Autoren: Andrea Camilleri
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anwesend gewesen, hatte er nämlich die Szene vor Augen, wie der Postamtsleiter zum Zirkel rannte, Ciccio Lo Cascio beiseite rief und ihm dies und jenes erklärte: daß es da dieses Telegramm gab, durch das die Firma Barbabianca in den Ruin getrieben werden konnte. Denn alle im Dorf wußten, daß sämtliche Lager der Firma leerer als ein leergeputzter Teller waren. Was denn Don Ciccio davon hielte, ob er nicht der Meinung sei, dem dort eine Falle zu stellen? »Ein Unglück kommt selten allein«, lautet das Sprichwort, und man stelle sich Don Ciccio vor, der seit drei Jahren, seitdem Don Totò ihm das Geschäft mit dem Bergwerk Trasatta vor der Nase weggeschnappt hatte, zu Hinz und Kunz sagte, daß er sein Augenlicht dafür geben würde, die Firma Barbabianca am Boden zerstört zu sehen. Von wegen Hiobsbotschaft! Reiner Nektar dünkten ihn diese Worte. Wer weiß, wieviel dieser gehörnte Erzgauner sich dabei unter den Nagel gerissen hatte.
    Don Totò war es gewohnt, stets mit vollem Fahrtwind zu segeln, doch dieses Mal war der Wellengang sehr heftig, und es brauchte gewaltiges Geschick, um mit heiler Haut davonzukommen. Noch war nicht jede Hoffnung verloren. Bevor sie sich geschlagen gaben, mußte die Rückkehr des Buchhalters Blasco Moriones abgewartet werden, der, kaum hatten sie das Telegramm erhalten, mit dem Pferd zu den Gebrüdern Munda nach Fela aufgebrochen war. Sie würden wohl kaum nein sagen, die Gebrüder Munda, wußten sie doch, daß es ihnen nicht zugute käme, Don Salvatore Barbabianca ein Bein zu stellen. Moriones würde kurz nach der Mittagszeit wieder im Dorf sein, »auch wenn du dir den Hals brichst, um drei hast du hier zu sein«, und das bedeutete, er wäre zurück, bevor das Schiff anlegte. Darauf setzte Don Totò seine ganze Hoffnung, und nicht auf den Rundgang, den sein Sohn Nenè idiotischerweise durch ganz Vigàta hatte machen wollen, um ein wenig Schwefel zu erbetteln. Das war vertane Liebesmüh, denn der Plan war viel zu ausgeklügelt. Gewiß würde Moriones die fünftausend Kantar Schwefel nicht einfach so mitbringen können, aber wenn sie einmal soweit wären, wäre alle Gefahr gebannt – für den Kapitän würde er sich gewiß eine passende Ausrede einfallen lassen. Wichtig war einzig und allein, daß der Schwefel innerhalb von sechsunddreißig Stunden von Fela nach Vigàta geschafft wurde. Ohne Vorankündigung, blitzschnell wie einer dieser Bluthunde, die dir, ehe du dich's versiehst, die Kehle durchbeißen, hakte sich ein Gedanke bei ihm fest: Und wenn die Gebrüder Munda plötzlich die Schlaumeier spielen?
      Don Totò klingelte nach dem Diener, sein Mund war wie ausgetrocknet, er brauchte dringend eine Erfrischung.
      »Bring mir eine Limonade mit viel Eis«, befahl er dem Lagerburschen.

    Der neunzigjährige, auf beiden Augen erblindete Don Angelino Villasevaglios hatte sich von seinem Diener Nino auf die Terrasse seines Hauses bringen lassen, da man von dort aus das Meer sehen konnte. Jetzt schwitzte er unter der heißen Sonne, keinen Millimeter rührte er sich. Steif wie eine Statue saß er picobello gekleidet auf seinem Korbstuhl, trug sogar Gamaschen, die er alle Schaltjahr nur auszog, und unnütz baumelte ihm ein Kneifer über der Westenbrust.
      »Wollen wir wetten, daß Sie sich noch einen Sonnenstich holen?«
    »Das ist mein Bier«, entgegnete er, schirmte mit der flachen Hand die Augen gegen das blendende Sonnenlicht ab und streckte seinen Schildkrötenhals, als könnte er tatsächlich sehen. Nino stand geduldig wie ein Lamm an seiner Seite und hielt ein Seefahrerfernglas in der Hand, wobei er versuchte, dem verrückten Alten neben ihm mit seinem Körper etwas Schatten zu spenden.
      »Am Ende verbrutzeln wir hier beide bei lebendigem Leib«, aber der Alte hörte sein Gebrummel nicht. Seitdem der graue Star ihn des Augenlichts beraubt hatte, beklagte er jetzt vielleicht zum erstenmal sein Schicksal.
      »Ein solches Unrecht hätte mir der Herr im Himmel nicht antun dürfen. Mir die Sehkraft zu nehmen! Jetzt, da ich mein Augenlicht brauchte, um mir diese großartige Genugtuung zu verschaffen!«
      Dabei blähte er die Nasenflügel, um die Seeluft einzuatmen.
      »Nino, sieht man den Rauch?« fragte er und verzehrte sich danach, mit eigenen Augen den Rauch des russischen Dampfers zu sichten, der den sicheren Untergang für Totò Barbabianca & Söhne bedeutete. Statt dessen mußte er sich von seinem Diener erzählen lassen, was der stellvertretend für ihn
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