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Das Land zwischen den Meeren

Das Land zwischen den Meeren

Titel: Das Land zwischen den Meeren
Autoren: Anna Paredes
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bebte. Endlich würde er mit der Sprache herausrücken und erklären, was ihm so wichtig war. Seltsamerweise schien Alexander nichts von ihrer Anspannung zu spüren. Oder er wollte es nicht bemerken.
    »Da entlang, bitte.«
    Nur mit Mühe vermochte Dorothea ihre wachsende Ungeduld zu bezähmen. Sie hörte kaum zu, als Alexander ihr erklärte, in welchen fernen Ländern diese Pflanzen zu Hause waren. Auf engen, geschwungenen Pfaden gingen sie weiter, duckten sich unter tief hängenden Zweigen mit tellergroßen, glänzenden Blättern und gelangten zu einem Wasserfall, neben dem eine Holzbrücke einen schmalen Bach überspannte. Feinste Wassertropfen setzten sich auf ihre Gesichter.
    »Und, gefällt es dir?« Doch Alexander wartete Dorotheas Antwort gar nicht ab, sondern fuhr begeistert fort: »Ich jedenfalls finde es wunderschön hier. So habe ich mir immer das Paradies vorgestellt. Alles ist grün und trotzdem ganz unterschiedlich gefärbt. Das schmale gefiederte Blatt dort vorn ist von einem gelblichen Grün, das breite gezackte daneben ist viel dunkler und mit etwas Blau vermischt. Manche wirken bräunlich oder sogar silbern … Nun, schlägt das Herz einer Zeichenlehrerin da nicht höher?«
    Er blieb vor einem Baum stehen, dessen Blätter an riesige Staubwedel erinnerten. Grüne, leicht gekrümmte Früchte wuchsen von unten nach oben in dicken Stauden. Offenbar war Alexander der Ansicht, ihr zuerst eine Nachhilfestunde in Pflanzenkunde geben zu müssen, bevor er zu seinem eigentlichen Thema kam. Aber Dorothea ließ sich nicht länger hinhalten. Trotzig zückte sie ihr Skizzenbuch, konzentrierte sich ganz auf ihr Objekt und zeichnete drauflos. Dabei drückte sie den Stift so fest auf das Papier, dass die Spitze abbrach. Verärgert über ihre Ungeschicklichkeit, suchte sie in der Manteltasche nach einem frischen Stift.
    »Das ist ein Bananenbaum. Wenn die Früchte gelb geworden sind, kann man sie essen«, erklärte der Freund und kam nun richtig in Schwung. »Bananen wachsen in Mittelamerika, und zwar in Costa Rica, in einem Land, das bisher kaum erforscht wurde. Ein deutscher Wissenschaftler mit Namen Alexander von Humboldt hat vor fast fünfzig Jahren die Nachbarstaaten bereist und seine Erinnerungen aufgeschrieben. Mein Patenonkel hat ihn auf einer seiner Expeditionen begleitet.«
    Dorothea hielt inne und ließ den Stift ruhen. Sie erinnerte sich vage daran, von solchen Forschungsreisen schon einmal gelesen zu haben, und hörte plötzlich aufmerksam zu.
    »Als ich ein kleiner Junge war, hat mir Onkel Johannes oft von seinen Abenteuern erzählt. Damals habe ich beschlossen, auch einmal auf Reisen zu gehen. In ein fernes, unbekanntes Land.«
    Sie nickte, ohne recht zu begreifen. Warum erzählte er ihr das alles? Warum rückte er mit seinem eigentlichen Anliegen nicht heraus und spannte sie unnötig auf die Folter?
    »Und jetzt kommt, was ich dir sagen wollte.«
    Dorothea wagte nicht zu atmen. Würde er sich endlich erklären? Ihr einen Antrag machen, sie aus dem ungeliebten Elternhaus befreien und in eine goldene Zukunft führen?
    Mit lebhaften Gesten sprach Alexander weiter. »Stell dir vor, Liebste, mein Kindheitstraum wird sich erfüllen. Ein berühmter Verleger in Berlin hat mir ein Angebot gemacht. Ich soll in seinem Auftrag nach Costa Rica reisen und das Land erkunden. Und danach ein Buch über meine Erlebnisse schreiben. Ist das nicht großartig?«
    Schweigend stand Dorothea da, fühlte sich wie vom Donner gerührt. Eisige Kälte breitete sich in ihrem Innern aus. Dann öffnete sie den Mund, hob zum Sprechen an und verstummte gleich darauf. Sie hüstelte, räusperte sich. »Ja, aber … Mittelamerika, das ist so unendlich weit weg. Und außerdem … wie lange wirst du fort sein?« Ihre Stimme klang brüchig und rau.
    »Je nachdem, anderthalb Jahre, vielleicht auch zwei. Auf jeden Fall wird die Arbeit gut bezahlt. Die Reisespesen sind ebenfalls überaus großzügig bemessen. Ich würde mehr als das Doppelte dessen verdienen, was ich bei der Zeitung bekomme. Und am Verkauf des Buches wäre ich auch beteiligt. Solche persönlichen Reiseberichte sind derzeit hoch in Mode. Je exotischer das Ziel, desto größer die Leserschaft. Mit etwas Glück werde ich womöglich sogar berühmt … Aber was ist, Dorothea, warum ziehst du ein solches Gesicht? Freust du dich denn gar nicht?« Alexander legte ihr eine Hand auf die Schulter, mit der anderen hob er ihr Kinn an. Mit ratloser Miene suchte er ihren Blick.
    Dorothea gab
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