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Das Land zwischen den Meeren

Das Land zwischen den Meeren

Titel: Das Land zwischen den Meeren
Autoren: Anna Paredes
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Wegrand aufgestellt worden war.
    Alexander deutete feixend auf das Schild und tippte sich an die Mütze. »Also gut, meine Liebste, jetzt sind wir quitt. Darf ich dich ins Kurhaus zu einem Glas Mineralwasser einladen? Als Ausdruck meiner tief empfundenen Reue. Außerdem habe ich eine entsetzlich trockene Kehle. Ich muss dringend etwas trinken.«
    Dorothea vergaß ihren anfänglichen Unmut und musste plötzlich über Alexanders zerknirschte Miene lachen. »Meine Großmutter hat immer gesagt, es bringe Glück, wenn man in einen Hundehaufen tritt. Du hättest vielleicht doch nicht ausweichen sollen.«
    Im Schutz vor dem scharfen Wind schritten sie an einer efeuumrankten, verwitterten Steinmauer einträchtig nebeneinander her. Das Kurhaus, ein hell getünchter Bau mit umlaufenden Säulen, galt neben dem beheizten Gewächshaus als Attraktion des Botanischen Gartens. Vor allem in den Sommermonaten lockte er zahlreiche Ausflügler aus Köln und Umgebung an. Das Kurhaus war auch zur Winterzeit gut besucht. Die meisten Gäste wohnten oder arbeiteten in der Nachbarschaft. Sie kamen vor allem, um mit Mattes zu plaudern. Der Inhaber der Gaststätte wusste über alles und jeden in der Stadt Bescheid und pflegte beste Kontakte sowohl zu den Honoratioren als auch zu manch zwielichtigen, polizeibekannten Gestalten. Was jedoch keine der beiden Parteien störte.
    Mattes hieß mit Vornamen eigentlich Alfons Matthias, stammte aus dem Severinsviertel im Süden der Stadt und war ein schwergewichtiger Sechseinhalbfuß-Mann mit einem Gesicht wie eine englische Bulldogge. Er verzog den Mund und zeigte eine breite Zahnlücke, als Alexander und Dorothea zu ihm an den Tresen traten.
    »Schau an, der Herr Weinsberg! Lange nicht gesehen. Was macht die Schreibkunst? Wird die Kölnische Zeitung bald einen neuen Chef bekommen?«
    Alexander grinste zurück. »Aber Herr Krautmacher, ich habe doch erst vor einem Jahr angefangen. Doch wer weiß, ob ich noch lange über Ratssitzungen, Taubenzüchtervereine und gestohlene Schubkarren schreiben werde.« Bei diesen Worten zwinkerte er Dorothea zu, die abermals die Stirn runzelte.
    »Oho, Sie streben also doch nach Höherem … Wusste ich’s doch. Aber bleiben Sie ruhig weiterhin in der Lokalredaktion. Ist ’ne ehrlichere Arbeit, als über Politik zu berichten. Unter den Zeitungsleuten gibt es jede Menge Opportunisten. Drehen sich wie die Fähnchen im Wind und reden denen da oben nach dem Mund. Scheren sich keinen Deut um die Not der kleinen Leute.« Der Wirt griff nach einem karierten Leinentuch und machte sich ans Abtrocknen der Biergläser. Mit jedem Glas redete er sich mehr in Rage. »Sehen Sie sich doch bei uns im Lande um! Seit Jahren Missernten, immer mehr Maschinen in den Fabriken, die den Arbeiter ersetzen, die Reichen zahlen kaum Steuern … Die Menschen verlieren zuerst ihre Arbeit und dann ihre Hoffnung. Irgendwann platzt denen der Kragen. Sie werden Barrikaden errichten und Häuser anzünden. Und wenn in Deutschland alles den Bach runtergeht, dann kann ich meinen Laden hier dichtmachen.«
    »Sie dürfen nicht immer alles gleich so schwarz sehen, Herr Krautmacher. Unruhen hat es bisher nur in Berlin und in Wien gegeben. Also weit weg von Köln. Wie pflegte mein Großvater zu sagen? Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.« Alexander erntete erst einen verdutzten Blick, dann ein dröhnendes Gelächter.
    »Ja, ja, ich verstehe. Sie wollen damit sagen, der olle Krautmacher, der soll mal nicht immer so viel von Politik schwadronieren … Also gut, wechseln wir das Thema. Was wünschen die Herrschaften zu trinken?«
    »Ein Mineralwasser für die charmante junge Dame an meiner Seite und für mich ein Bier.«
    Mattes Krautmacher füllte zwei Gläser und stellte sie schwungvoll auf die Theke. Dann beugte er sich augenzwinkernd vor und legte Alexander vertraulich die Hand auf den Arm. »Da haben Sie sich aber ein lecker Mädchen angelacht«, raunte er. »Auf die müssen Sie gut aufpassen. Bevor ein anderer das zarte Röslein pflückt.«
    Dorothea ärgerte sich, dass ihr auf die taktlosen Worte des Wirtes keine passende Antwort einfiel. Sie hasste es, wenn jemand auf ihre Kosten mehrdeutige Anspielungen machte. Mit eisiger Miene nahm sie die beiden Gläser und trug sie an einen Tisch im hinteren Teil des Lokals, wo ein Kohleofen behagliche Wärme verströmte. Sie legte Mantel und Muff ab, behielt jedoch den Hut auf. Alexander nahm neben ihr Platz und erhob das Glas.
    »Auf uns.«
    Innerlich jubelte
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