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Das Land des letzten Orakels

Titel: Das Land des letzten Orakels
Autoren: David Whitley
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rosafarbenen Töne des Sonnenaufgangs am Horizont sichtbar wurden. »Komm schon, so ist Laud eben. Er hat eine romantische Ader. Er will, dass ihr in die aufgehende Sonne hineinsegelt.«
    Lily blickte über die Wellen hinweg und musste lachen. »Tja, dann hat er Pech gehabt«, sagte sie und wandte sich vom Meer ab. »Honorius meinte, es würde Stunden dauern, bis man diese ganzen Segeltaue auf die Reihe bekommt …«
    »Pass nur auf, bestimmt ist Laud damit schon fertig«, bemerkte Mark lachend, während sie sich auf den Rückweg zur Kathedrale machten.
    »Jeder andere würde meinen, du denkst, Laud wäre mehr Schein als Sein …«
    »Tja, weißt du …«
    »Siehst du, deswegen nehmen wir dich nicht mit …«
    Lachend und plaudernd stiegen Mark und Lily die Klippe hinab, während hinter ihnen das Licht der morgendlichen Dämmerung leuchtete. Dabei waren sie erfüllt von einem Gefühl der absoluten Unbekümmertheit.
    Und soweit es Mark betraf, war das genau das, was er sich wünschte.

EPILOG
    Das rote Segel verschwand hinter dem Horizont. Theo, der gar nicht wahrgenommen hatte, dass er den Atem anhielt, stieß ihn nun aus.
    Mit zusammengekniffenen Augen schaute er in die hoch stehende morgendliche Sonne und sah Mark, der nach wie vor an der Kante des Docks stand und winkte. Theo überlegte, ob er zu ihm hinübergehen sollte, entschied sich dann jedoch dagegen. Es würde später noch reichlich Zeit dafür geben, in Erinnerungen zu schwelgen und sich einzugestehen, wie sehr sie ihre Freunde vermissten. Er wollte Mark in diesem Augenblick nicht stören.
    Theo zog sich seine dunkle Jacke mit den silbernen Borten enger um die Schultern. Die Sonne schien heute zwar hell, doch bis zum gisethischen Frühlingsfest waren es noch ein paar Tage, und die Brise war ein wenig kühl. Vielleicht sollte er in die Kathedrale zurückkehren. Seine Tage in Agora waren mittlerweile so von Arbeit ausgefüllt, und die Kathedrale war nun, da Wolfram und seine Anhänger nicht mehr da waren, ein Ort wohliger Ruhe. Sogar Wulfric, ihr verwegen dreinblickender neuer Pförtner, wusste, wann er ihn seinen Gedanken überlassen musste.
    »Direktor …«
    Theo schaute hinunter. Verity stand neben ihm. Sie hatte feuchte Augen, doch allmählich gewann sie ihre Zuversicht zurück. Lily hatte vor ihrer Abreise lange mit ihr gesprochen. Eines Tages würde Theo vielleicht fragen, was sie ihr erzählt hatte.
    »Ach, Verity«, sagte er mit sanfter Stimme, »du brauchst mich nicht immer Direktor zu nennen, schon gar nicht hier. An diesen Titel kann ich mich einfach nicht gewöhnen.«
    Verity blickte zu ihm auf und schüttelte liebevoll den Kopf. »Und glaube mir, das ist der Grund, warum du der beste Direktor bist, den Agora jemals hatte«, sagte sie.
    Theo zuckte mit den Schultern. »Tja, ich glaube nicht, dass es schwer war, Snutworth zu übertrumpfen«, räumte er ein, darauf hoffend, sie damit zum Lachen zu bringen.
    Zu seiner Freude zeigte sich der Anflug eines Lächelns auf ihrem Gesicht. Das reichte für den Moment.
    Er schaute sich zum Dock um. Mark hatte damit aufgehört zu winken und starrte aufs Meer hinaus.
    »Möchtest du ein wenig allein sein?«, fragte Theo Verity leise. »Ich könnte in der Kathedrale warten.«
    Entschieden, aber mit einem traurigen Lächeln schüttelte sie den Kopf. »Nein. Sich mit Arbeit abzulenken, hilft immer.« Sie langte in ihre Jackentasche. »Das erinnert mich an etwas. Die Mönche wollten, dass du die hier als Symbol der neuen Freundschaft zwischen Giseth und Agora bekommst.«
    Verity holte einen kleinen Lederbeutel hervor und legte ihn Theo auf die Handfläche. Er gab ein leises Klimpern von sich. Neugierig löste Theo den Knoten und schüttete den Inhalt auf die andere Handfläche.
    »Was ist das?«, fragte er, während er die goldenen und silbernen Metallscheiben anstupste. »Sie sehen aus wie diese Verzierungen, mit denen die Kathedrale bedeckt ist.«
    Verity nickte. »Das sind sie auch«, sagte sie. »Als dieses Schiff einst hier ankam, vor all den Jahren, hielt der überlebende Seemann es offenkundig für das Wertvollste an Bord – mehr noch als Proviant und Wasser. Der neue Bischof hat ein paar für uns abmachen lassen. Er meinte, wir würden sie vielleicht mit nach Agora nehmen wollen.«
    Theo hielt eine der Scheiben hoch. Auf ihr war der Kopf eines lange in Vergessenheit geratenen Mannes eingraviert. Es war bloß ein kleines Stück Gold, hatte aber etwas Gefährliches an sich.
    »Ich weiß nicht, ob das eine
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