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Das lässt sich ändern

Das lässt sich ändern

Titel: Das lässt sich ändern
Autoren: Birgit Vanderbeke
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voller Kampfeslust mit seinem hessischen Akzent entgegentrat, der so niedlich klang, dass ich ganz vergaß, mich vor all den Blut, Wut und Mut zu fürchten.
    Bora rappte wie die größeren Jungen mit verschlossenem Gesicht über die Streuobstwiese, Anatol versuchte auch finster dreinzusehen, Magali hopste aufgeregt und wild dazwischen bis zum finalen Refrain, der so entschlossen wie schräg herauskam.
    Der Psychopath ist auf seinem Pfad, wartet auf den Tag für das letzte Attentat.
    Tja, sagte Adam anerkennend und belustigt, kommt mir irgendwie bekannt vor. Macht kaputt, was euch kaputt macht.
    Frau Özyilmaz war zu uns getreten.
    Die wissen nicht, wohin mit sich, sagte sie. Die will keiner haben.
    Adam sagte, das sollte sich ändern lassen.
    Kaputt gemacht wurden an diesem Donnerstagabend nicht die Bonzen der Ton Steine Scherben und auch keine schwarz-rot-goldenen Alemannenschweine, sondern die Scheiben von Özyilmaz’ Dönerimbiss.
     
     
    Die Sommermonate zwischen dem Mechoui und dem bedeutenden Tag, an dem Anatol in die Peter-Petersen-Schule kommen würde, waren heiß. Adam fuhr mit den Kindern gelegentlich an einen derKiesseen im Wald und dachte darüber nach, was aus unserer Streuobstwiese werden sollte. Wenn ich aus dem Fenster schaute, sah ich ihn oft auf der Wiese stehen oder sie abschreiten, sein Land. Er sah aus wie James Dean in Giganten, der auf Little Reata zuversichtlich nach Öl bohrt, nur dass Adam natürlich nicht anfing, auf der Wiese nach Öl zu bohren.
     
     
    Anatol schlief in diesem Sommer schlecht, und auch bei ihm, wie seinerzeit bei Massimo Centofante, brauchten wir keine Psychologen zu sein, um zu wissen, warum. Anatol machte sich Sorgen, gegen die kein Kinderlied und kein noch so lautes Pfeifen helfen konnten.
    Wenn ich ihn besorgt ansah, sagte Adam, ich tu, was ich kann, um ihn abzulenken; tatsächlich brachte er Bora und Anatol das Schwimmen bei, und nach der Radfahrt vom Kiessee zurück durch den Wald waren die Kinder so müde, dass sie kaum mehr das Abendbrot schafften, aber pünktlich um zwei Uhr nachts stand Anatol bedrückt bei uns im Schlafzimmer auf der Matte. Einen Moment später kam seine kleine Schwester hinterher, hatte praktischerweise ihr Stoffkrokodil unterm Arm und krähte fröhlich, ich kann nicht schlafen.
    Kein Wunder, sagte Adam, ist ja auch viel zu heiß.
    Meistens waren wir zu müde, um die Kinder zurück in ihr Zimmer zu bringen. Adam murmelte, ihrhabt gewonnen, und tagsüber nahmen wir uns vor, das nicht zur Angewohnheit werden zu lassen.
     
     
    Und eines Tages hatte Adam eine rettende Idee. Vielleicht war sie auch ein Verhängnis, aber je länger ich darüber nachdenke, umso mehr will mir scheinen, dass Rettung und Verhängnis nicht so weit auseinanderliegen, wie man meint, im Gegenteil, sie sind sich so nah, dass man vielleicht nicht unterscheiden muss, ob etwas eine Rettung oder ein Verhängnis ist. Adam jedenfalls hatte eine Idee. Sie hing mit dem Bildband zusammen, den Massimo uns vor dem Mechoui-Fest geliehen und den Adam sich mit den Kindern angeschaut hatte. Der Band hieß Nomaden, er enthielt wildromantische Kitschfotos von Tuareg-Hochzeiten, Yakrennen in Tibet, algerischen Kameltänzen und dem mongolischen Naadam-Fest, das die Kinder entzückte, eine Art Miniolympiade, bei der Kinder in Boras, sogar schon in Anatols damaligem Alter an Pferderennen teilnehmen dürfen.
    Wie die Großen, sagte Anatol, als er das Prinzip verstanden hatte. Barfuß. Ganz ohne Sattel.
    Die Bilder aus der fernen zentralasiatischen Steppe schlugen bei den Kindern ein wie der Blitz. Anatol weigerte sich fortan, seine Sandalen anzuziehen, und nachdem Anatol keine Schuhe mehr anzog, wollte Magali auch keine mehr anziehen. Wenn Bora und Anatol mit ihren Bykes durch Ilmenstettfuhren, fühlten sie sich wie Dschingis Khan hoch zu Ross, besonders wenn sie von ihren Ritten gelegentlich kostbare Beute mitbrachten, ein gusseisernes Waffeleisen, einen korbförmigen Blumentopf mit zwei Henkeln daran, einen halb vertrockneten Oleander.
     
     
    Adam beschäftigte der Bildband auch, allerdings etwas anders.
    Eines Tages, als die Kinder wieder mitten in der Nacht zu uns ins Bett schlüpfen wollten, kam er mit seiner Idee heraus.
    Ich glaube, ihr beide solltet bei der Hitze lieber Draußenkinder sein, sagte er.
    Er war hellwach, saß aufrecht im Bett und tat sehr geheimnisvoll.
    Magali war sofort einverstanden damit, ein Draußenkind zu sein. Der Bauer Holzapfel hatte ihr erklärt, dass sie
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